Verfassung des deutschen Reiches. Vom 28. März 1849. 21
S. 99.
Das Recht des Gesetzvorschlages, der Beschwerde, der
Adresse und der Erhebung von Thatsachen, sowie der Anklage
der Minister steht jedem Hause zu.
S. 100.
Ein Reichstagsbeschluß kann nur durch die Ueberein-
stimmung beider Häuser gültig zu Stande kommen.
S. 101.
Ein Reichstagsbeschluß welcher die Zustimmung der
Reichsregierung nicht erlangt hat, darf in derselben Sitzungs-
periode nicht wiederholt werden.
Ist von dem Reichstage in drei sih unmittelbar folgenden
ordentlichen Sitzungsperioden derselbe Beschluß unverändert
gefaßt worden, so wird derselte. auch wenn die Zustimmung
der Reichsregierung nicht erfolgt, mit dem Schlusse des dritten
Reichstages zum Gesetz. Eine ordentliche Sitzungsperiode,
welche nicht wenigstens vier Wochen dauert, wird in dieser
Reihenfolge nicht mitgezählt.
C. 102.
Ein Reichstagsbeschluß ist in folgenden Fällen erforderlich:
1) Wenn es sich um die Erlassung, Aufhebung, Abänderung
oder Auslegung von Reichsgesetzen handelt.
12) Wenn der Reichshaushalt festgestellt wird, wenn An- S. 116.
leihen contrahirt werden, wenn das Reich eine im
Budget nicht vorgesehene Ausgabe übernimmt, oder
Matrikularbeiträge oder Steuern erhebt.
3) Wenn fremde See= und Flußsch fahrt mit höheren
Abgaben belegt werden soll.
4) Wenn Landesfestungen zu Reichsfestungen erklärt werden
ollen.
5) Wenn Handels-, Schifffahrts- und Auslieferungsverträge
mit dem Auslande geschlossen werden, sowie überhaupt
völkerrechtliche Verträge, insofern sie das Reich belasten.
6) Wenn nicht zum Reich gehörige Länder oder Landes-
theile dem deutschen Zollgebiete angeschlossen, oder ein-
zelne Orte oder Gebietstheile von der Zolllinie aus-
geschlossen werden sollen.