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standen auf der Liste der Präsident der Reichsbank v. Dechend und der Unter-
staatssekretär Herzog, zuletzt der General-Postdirektor Stephan, mit dem Bismarck
persönlich am 21. März 1878 zwei Unterredungen hatte. Keiner von diesen
konnte sich aber zur Uebernahme der Erbschaft Camphausens entschließen, weil
jeder fürchtete, daß Fürst Bismarck künftig auch in den Finanzfragen sich die
freieste Hand sichern wolle, wie er dies in den handelspolitischen Fragen bereits
zu erkennen gegeben hatte.
Geheimrat Tiedemann, mit welchem Bismarck am 22. März die Personal-
frage erwog, nannte dann noch mehrere Kandidaten, die aber Biemarck der
Reihe nach als ungeeignet zurückwies.
Der Fürst verlangte weitere Vorschläge, und der Rat des Kanzlers durch-
blätterte das Staatshandbuch, aber nichts Geeignetes wollte sich finden lassen.
So kam der Abend heran. Es war Donnerstags, wo sich der Klub, dem
Tiedemann angehörte, in der Potsdamer Straße versammelte. Tiedemann ging
gegen Mitternacht dorthin, verdrießlich und abgespannt. Der Baurat James
Hobrecht begann ein Gespräch über die gegenwärtige Ministerkrisis, an dem
Tiedemann nur widerwillig teilnahm, so daß man ihn fragte, warum er heute
so zerstreut sei. Tiedemann erwiderte, daß er jemand vergeblich gesucht habe,
und fragte dann, um dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, ob sein
Bruder Arthur (der Oberbürgermeister von Berlin) heute abend noch erscheinen
werde. Dabei schoß ihm wie ein erleuchtender Blitz der Gedanke durch den
Kopf, ob Arthur Hobrecht nicht etwa der Gesuchte sein könne, und seltsamer-
weise erschien in diesem Augenblick ein Kanzleidiener, der ihn zum Fürsten
Bismarck berief. Während Tiedemann zum Reichskanzler-Palais fuhr, überlegte
er sich, ob Hobrecht nicht in der That sich zum Finanzminister qualifizire. Der
Geheimrat war hierüber mit sich noch nicht im reinen, als er ins Schlafzimmer
des Fürsten trat, der sich bereits zu entkleiden begonnen hatte und ihn mit
den Worten empfing: „So, nun hat Stephan auch abgelehnt. Na, Pötter,
wat makt wi nu?“
Tiedemann antwortete, daß er einen Finanzminister gefunden zu haben
glaubte, und nannte frischweg Hobrecht. Der Fürst besann sich eine Weile
und äußerte dann, das scheine ein glücklicher Gedanke zu sein. Dann fragte
er Tiedemann, ob er mit Hobrecht so genau bekannt sei, daß er ihn noch in
dieser Nacht überfallen und fragen könne, ob er Minister werden wolle. Tiede-
mann bejahte dies. Der Fürst bat nun seinen Geheimrat, Hobrecht sofort
aufzusuchen und ihm dann Nachricht zu geben. Er werde nicht einschlafen,
bis Tiedemann zurückgekehrt sei.
Es war nach 1 Uhr nachts, als der Vorstand der Reichskanzlei an Hobrechts
Wohnung klingelte. Der Diener, welcher Tiedemann kannte, teilte ihm auf
sein Befragen mit, daß der Herr Oberbürgermeister sich noch in einer Abend-
gesellschaft befinde, aber jeden Augenblick zurückkehren könne, und führte dann