II. Abschnitt.
Das Freizügigkeitsrecht.
(Persönliche Zugfreiheit.)
Wehrend schon durch Art. 3 der Verfassung des norddeutschen
Bundes ein gemeinsames Indigenat für den ganzen Umfang
des norddeutschen Bundesgebiets festgestelt war, wurde in Gemäßheit
des Art. 4 Ziffer 1 dieser Verfassung diesem Indigenat durch das
Gesetz vom 1. November 1867, S. 55, eine erweiterte Bedeutung und
Geltung verschafft. (Sten. Ber. 1867 I, S. 132, 251.)
Die Art. 3 und 4 der norddeutschen Verfassung gingen wort-
getreu in die Reichs-Verfassung über und es wurde in der Folge das
sogenannte Freizügigkeitsgesetz vom Jahre 1867 auf das ganze Reichs-
gebiet ausgedehnt.
Hiernach gelten folgende Vorschriften:
Jeder Reichsangehörige (Erkenntnis des Reichsgerichts v. 21. April 1885)
hat das Recht, innerhalb des Bundesgebietes:
1. an jedem Orte sich aufzuhalten oder niederzulassen, wo er eine
eigene Wohnung oder ein Unterkommen (Schlasstelle) sich zu
verschaffen im Stande ist;
an jedem Orte Grundeigentum aller Art zu erwerben;
Umherziehend oder an dem Orte des Aufenthalts, bezw. der
Niederlassung, Gewerbe aller Art zu betreiben, unter den für
Einheimische geltenden gesetzlichen Bestimmungen, (nämlich der
Gewerbeordnung) ohne vorher dem betreffenden Staat oder
einer Gemeinde anzugehören.
Als ein wesentlicher Ausfluß aus dem Freizügigkeitsrecht ist auch
das Auswanderungsrecht zu betrachten und die Paßfreiheit.
In der Ausübung dieser Befugnisse darf der Bundesangehörige,
soweit nicht das gegenwärtige Gesetz Ausnahmen zuläßt, weder durch
die Obrigkeit seiner Heimat, noch durch die Obrigkeit des Ortes, in
welchem er sich aufhalten oder niederlassen will, gehindert oder durch
lästige Bedingungen von Aufenthaltsabgaben oder-Gebühren, Leumunds-
und sonstigen Zeugnissen beschränkt werden. (§ 1).
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