52 Zweiter Teil: Organisation des Bundes.
Die Schutzgewalt (Souveränetät bezw. Protektorat) in den
Schutzgebieten übt der Kaiser im Namen des Reiches aus. (§ 1 des
Gesetzes vom 10. September 1900, S. 813).
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Sie bezieht sich nicht lediglich auf die Person der dortigen Reichs-
angehörigen, sondern auf das Gebiet als solches; sie ist daher terri-
torialen Charakters.
Dieser Souveränität des Reiches sind daher auch die eingeborenen
Fürsten, Häuptlinge und Staatsangehörigen unterworfen. Allein den
Ersteren kommt in gewissem Maße doch noch eine autonome Gewalt
gegenüber den ihnen unterstehenden Stämmen zu, so namentlich das
Recht der ihnen nach den Gesetzen und Gebräuchen zustehenden Ein-
nahmen, das Steuererhebungsrecht und das Gerichtsbarkeitsrecht.
Die Hoheit der Häuptlinge besteht in beiderlei Gebieten nur in
Beziehung auf die Eingeborenen, nicht auch hinsichtlich des Territoriums.
Als Zentralbehörde für die kolonialen Angelegenheiten besteht beim
Auswärtigen Amt das Kolonialamt, welches dem Reichskanzler untersteht.
In derselben werden die Verwaltungs= und Organisations-Angelegenheiten,
die Verhandlungen betr. der Schutzgebiete mit fremden Regierungen, die An-
gelegenheiten der wissenschaftlichen Forschungs-Expeditionen u. K. w bearbeitet.
Außerdem steht dem Reichskanzler als sachverständiger Beirat der
Kolonialrat zur Seite (Kaiserlicher Erlaß vom 10. Oktober 1890, S. 179).
Kiautschou ist dem Reichs-Marineamt unterstellt.
Bezüglich der Kolonial-Gesellschaften bestimmt das Gesetz vom
10. September 1900, S. 813, Folgendes:
Deutschen Kolonialgesellschaften, welche die Kolonisation der deutschen
Schutzgebiete, insbesondere den Erwerb und die Verwertung von Grund-
besitz, den Betrieb von Land= oder Plantagenwirtschaft, den Betrieb von
Bergbau, gewerblichen Unternehmungen und Handelsgeschäften in denselben
zum augschließlichen Gegenstand ihres Unternehmens und ihren Sitz ent-
weder im Reichsgebiet oder in einem Schutzgebiet oder in einem Konsular-
gerichtsbezirke Fns oder denen durch Kaiserliche Schutzbriefe die Aus-
übung von Hoheitsrechten in den deutschen Schutzgebieten übertragen ist,
kann auf Grund eines vom Reichskanzler genehmigten Gesellschaftsvertrags
(Statuts) durch Beschluß des Bundesrats die Fähigkeit beigelegt werden,
unter ihrem Namen Rechte, insbesondere Eigentum und andere dingli
Rechte an Grundstücken zu erwerben, Verbindlichkeiten einzugehen, vor Gericht
u klagen und verklagt zu werden. In solchem Falle 8 den Gläubigern
a- alle Verbindlichkeiten der Kolonialgesellschaft nur das Vermögen derselben.
Das Gleiche gilt für deutsche Gesellschaften, welche den Betrieb eines
Unternehmens der in Abs. 1 bezeichneten Art in dem Hinterland eines
deutschen Säuzzebiet oder in sonstigen dem Schutzgebiete benachbarten
Bezirken zum Gegenstand und ihren Sif entweder im Reichsgebiet oder
in einem Schutzgebiet oder in einem Konsulargerichtsbezirke haben.
Der Beschluß des Bundesrats und im Auszuge der Gesellschaftsver-
trag sind durch den Reichsanzeiger zu deröffentlichen.
Im Ubrigen sind die Rechtsverhältnisse in den Schutzgebieten durch Gesetz
vom 19. März 1888 S.75, vom 2. Juli 1899 S.365 und vom 25. Juli 1900,
S. 809 sowie durch Verordnung vom 9. Nov. 1900 S. 1005 geregelt.