294 III. Abschnitt. Der Eisenbahnverkehr.
mindestens selbst vollständig erhalten können und dürfen hierzu nicht die
Steuerzahler in Anspruch nehmen. JNur so lassen sich die Ungerechtig-
keiten bei der Verteilung der Steuerlast für Eisenbahnzwecke verbindern.
Das wird auch allgemein als berechtigt empfunden. Dem Benutzer der
Eisenbahn erwachsen aus deren Leistung so unmittelbare und deutliche
Vorteile, daß seine Gegenleistung dementsprechend zu bemessen ist. Nur
vorübergehend bei aubergewöhnlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten
liebe sich ein Zurückbleiben hinter der vollen Eigenkostendeckung als
das kleinere Ubel rechtfertigen. Ob eine Uberscbreitung der vollen
Eigenkostendeckung grundsätzlich vermieden werden soll und kann, ist
eine Tatfrage. Wenn man sich vorstellt, daß das Eisenbahnnetz völlig
ausgebaut, also das Land mit Eisenbahnverbindungen gesättigt ist, dann
könnte man es für zulässig halten, die finanzielle Behandlung der Eisen-
bahnen auf den Grundsatz der vollen Eigenkostendeckung einzuengen.
Eine völlige Sättigung mit Eisenbabnlinien ist nur denkbar in einem Lande
wirtschaftlichen Stillstandes oder wirtschaftlichen Rückschritts. Gerade
hier aber lähßt die Steuerkraft nach, sodaß aus rein staatswirtschaftlichen
Erwägungen heraus auch hier ein Ertrag über die Eigenkosten hinaus
erwünscht ist. In einem wirtschaftlich aufstrebenden Lande ist ein
solcher Zustand der Sättigung überhaupt nicht möglich, sodab der
Grundsatz der vollen Eigenkostendeckung nicht ausreicht. Man mul
vielmehr darüber hinausgehen, um die Verzinsung und Tilgung der
Anlagekosten und den laufenden Aufwand für die notwendigen Ergän-
zungen des Eisenbahnnetzes herauszuwirtschaften.
Mit diesem Vorgehen kommt man bereits zum gewerblichen Grund-
satze: man will bereits einen Reingewinn über die volle Eigenkosten-
deckung binaus erzielen. Zu demselben Ergebnisse führen staatswirt-
schaftliche Erwägungen. In den Staatsbahnen steckt ein sehr ansehn-
licher Teil des Vermögens der Nation. Fast 17 Milliarden M. machte
1910 das verwendete Anlagekapital der deutschen Staatsbahnen aus.
Dieses Riesenkapital arbeitet fortwährend im Verkehrsdienste. Niemand
kann es verantworten, daß das ohne erkennbaren unmittelbaren Ertrag
für das Volksganze gesehehen sell. Ein solches arbeitendes Vermögen
nicht als werbendes Vermögen zu behandeln, also ertraglos zu lassen,
ist ein Luxus, den sich keine grobe Volkswirtschaft gestatten kann.
In Preußen ließ das Staatsbahnwesen zur Verwendung für allge-
meine Staatszwecke, also zu anderen als Eisenbahnzwecken übrig:
1895—1899 im ganzen 605,0 Mill. M., also durchschnittl. 121,0 Mill. M.
1900— 1904 v 7 830,8 r? v v v 166,2 ?"* Vy
1905—1909 „ „ 825,7 „ „ „ R —
1910 „ „ 210,3
In diesen 16 Jahren haben in Preußen die Staatsbahnen fast
2,5 Milliarden M. für allgemeine Staatszwecke bereitgestellt. Welche