Full text: Die Ausweisung fremder Staatsangehörigen vom völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Standpunkte.

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Zulässigkeit der Ausweisung aus dem Gebiete des Einzelstaates wird aus- 
drücklich anerkannt in § 361 Nr. 2 des Strafgesetzbuches. Hiernach 
wird wegen Uebertretung bestraft, wer, nachdem er des Bundesgebietes 
oder des Gebietes eines Bundesstaates verwiesen ist, ohne Er- 
laubniß zurückkehrt. 
Inwiefern die Ausweisungen aus einem einzelnen Bundesstaate einer 
Controle des Reiches unterliegen, ist bekanntlich gelegentlich der letzten 
preußischen Ausweisungen von Dänen aus Nordschleswig Gegenstand von 
Meinungsverschiedenheiten zwischen den verbündeten Regierungen und 
dem Reichstage gewesen. Zur Erledigung dieser Streitfrage bedarf es 
eines näheren Eingehens auf die Begriffe der „Beaufsichtigung“ und der 
„Fremdenpolizei“ im Sinne des Art. 4 der Reichsverfassung nicht, da 
sich die Entscheidung von einem anderen Gesichtspunkte, nämlich von dem 
der völkerrechtlichen Beziehungen zum Auslande ergiebt. 
Jeder Staat ist bei Ausweisungen an die Schranken des Völker- 
rechtes gebunden. Deren Verletzung zieht den Einspruch des betheiligten 
auswärtigen Staates und eventuell von dessen Seite völkerrechtliche 
Zwangsmittel nach sich. Aber auch ohne eine Rechtsverletzung zu ent- 
halten, können Ausweisungen von dem fremden Staate als politisch un- 
freundliche Handlung betrachtet werden, eine Verschlechterung der poli- 
lischen Beziehungen bewirken und entsprechende Gegenmaßregeln herbei- 
führen. 
Die deutschen Einzelstaaten sind nun allerdings Subjekte des Völker- 
rechtes geblieben mit aktivem und passivem Gesandtschaftsrechte, mit der 
Befugniß, innerhalb der ihnen verbliebenen Sphäre staatlichen Handelns 
mit anderen Mächten in Unterhandlung zu treten und Verträge abzu- 
schließen. Dies würde auch von der Fremdenpolizei gelten. Nur in den 
Fällen des Strafgesetzbuches erscheint das Reich als Subjekt des Aus- 
weisungsrechtes, im Uebrigen steht die Ausweisung den Einzelstaaten zu, 
und sie haben auch dafür in den internationalen Beziehungen einzutreten. 
Allein jede Rechtsverletzung hat von der anderen Seite die völkerrecht- 
lich zulässigen Zwangsmittel zur Folge. Durch deren Anwendung wird 
aber sofort das Reich in Mitleidenschaft gezogen, auch wenn sie sich nur 
gegen einen deutschen Einzelstaat richten. Selbst rein politische Maßregeln 
gegen einen deutschen Einzelstaat oder dessen Angehörige können, auch 
wenn von keiner Seite völkerrechtswidrig gehandelt ist, das Reich nicht 
unberührt lassen. Schon angesichts von Ausweisungen der Angehörigen 
eines deutschen Einzelstaates, die der fremde Staat als Retorsion oder 
Repressalie vornimmt, würden die Ausgewiesenen als Reichsangehörige 
den nach Art. 3 der Reichsverfassung allen Deutschen im Auslande
	        
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