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haftigkeit eines Uebergangs von einer zur undern oder, bei Fort-
dauer der Staatsform, eines Wechsels in der Person des Herrschers
zu bezweifeln. Es ist somit auch der präjudicielle Einwand gegen
unsere Frage, den man aus der Rousseau'schen Theorie entnehmen
müßte, widerlegt.
§ 7. Die Besitztheorie.
Die Ansichten, welche wir unter dem Namen der Besitztheorie
zusammenfassen, stimmen alle in dem charakteristischen Punkt über-
ein, daß mit der vollendeten Usurpation einer Staatsgewalt auch
das Recht auf dieselbe erworben sein soll: Besitz und Recht fallen
nach ihrer Behauptung in allen Souverainitätsfragen zusammen.
Das Dasein eines Staats ist sein Rechtsgrund 44); legitim ist der
Eroberer, sobald er festsitzt 33); der Besitz des aufgedrungenen Staats-
herrschers ist sich selbst und zwar einziger und ausschließlicher
Rechtstitel 6I) — das sind nur verschiedene Ausdrucksweisen für
verschiedene Anwendungen desselben Gedankens. Die Begründungen
dieses Gedankens sind mannichfacher Art: zum Theil wird der Fall
der Eutstehung eines neuen Staats unter einen andern Gesichts-
punkt gebracht, als der Eintritt eines neuen Organs eines fortbestehen-
den Staats; zum Theil werden beide Fälle von einem einheitlichen
Princip aus betrachtet. Daraus ergibt sich für unsere kritische Un-
tersuchung eine Eintheilung in drei Rubriken:
I. Die Legitimität jedes faktisch bestehen den Staa-
tes wird gegründet auf die Vernunft. Der Staat, sagt man, ist
ein vernunftnothwendiger Zustand, das Vernunftgesetz fordert von jedem
Menschen den Eintritt in die bürgerliche Verfassung; was aber ein
vernunftnothwendiges Dasein hat, dem steht von selbst auch das Recht
des Fortbestandes zu: daher ist es völlig gleichgültig, durch welches
historische Faktum der einzelne Staat entstanden ist; sobald nur die
Idee des Staats eine concrete Gestaltung in der Wirklichkeit ge-
wonnen hat, ist sein Dasein ein rechtliches; sobald ein Staat auf-
61) Soz. B. Zöpfl, J, 85, S& 44, I; Held, Deutsches Verfassungs-R., S.
199—200, 290, 295, 305; Derselbe, Staat und Gesellschaft, II, S. 618, 695;
Wheaton, Elements of International Law, S. 36—39 („It is a State
because it exists“; dies soll aber nur von der „internal Sovereiguty“, d. h.
in Bezug auf die staatsrechtliche Legitimität, gelten).
62) Fröbel, Theorie der Politik, II, S. 87.
63) Zöpfl, I, § 203, III.