Full text: Die Legitimation einer usurpirten Staatsgewalt. Erste Abtheilung. (1)

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serer Zeit entstehen neue Staaten, abgesehen von den Colonisationen 
unbewohnter oder von Wilden bewohnter Länders), immer auf 
Kosten schon bestehender Staaten, und es fragt sich also, ob eine 
widerrechtliche Zerstörung oder Verstümmelung der letzteren immer, 
sogar noch ehe die neue Schöpfung ihre Lebensfähigkeit bewiesen, 
als vernünftig und deshalb rechtsbeständig angesehen werden muß, 
also namentlich der Versuch einer Wiederherstellung des alten Zu- 
standes vernunftwidrig ist? Und selbst wenn die staatliche Ordnung 
an die Stelle eines staatlosen Zustandes, aber nur durch willkür- 
liche Gewalt gesetzt ist, wird dieselbe leicht auch aus Vernunftgrün- 
den verwerflich sein, weil ein Anschluß an ein anderes Staatswesen 
oder eine Bildung mehrerer Staaten den vernünftigen Interessen 
der Bevölkerung besser entsprechen würde. 
II. Innerhalb eines Staates soll die vollendete Be- 
sitzergreifung der Staatsgewalt von Seiten eines unbe- 
rechtigten Subjekts mindestens dem Volke gegenüber deßhalb Herr- 
schaftsrechte geben, weil diese Innehabung alsdann durch das positive 
Gesetz und die Gerichte geschützt ist 5). — Aber ein Gesetz, wodurch 
der Usurpator sich ein Recht auf die Staatsgewalt zuschreibt, wird 
in vielen Fällen gar nicht gegeben werden 70), und auch, wenn es 
gegeben würde, hätte es ebenso wenig rechtliche Gültigkeit wie das 
Urtheil eines im Namen des Usurpators rechtsprechenden Gerichts: 
weder das „Gesetz“ noch das Gericht, da sie nur Ausflüsse der an- 
gemaßten Autorität sind, können dem Usurpator eine rechtmäßige 
Autorität verleihen; insofern bewegt sich die Beweisführung in einem 
Zirkel. Auch würde dieselbe, wenn sie richtig wäre, weiter führen, 
als ihr Urheber annimmt; das bisher berechtigte Subjekt (resp. das 
ganze fürstliche Haus, aus welchem bisher der Herrscher hervorging), 
würde, sobald es in der Gewalt des Usurpators wäre, ebenfalls 
jedes Herrschaftsrecht (resp. Recht auf die Herrschaft) verlieren, ja 
der Herrschaft des Usurpators rechtlich unterworfen sein — wogegen 
andererseits auch bisherige Unterthanen, welche sich durch die Flucht 
der Gerichtsbarkeit des Usurpators entzögen, in kein Unterthanen- 
68) Den kbar wäre allerdings auch die Organisation einer wilden Völker- 
schaft zu einem Staat; dieselbe wird aber ohne den Einfluß civilisirter Einwan- 
derer kaum stattfinden. 
69) Zöpfl, I, & 203. 
70) Namentlich wenn er vorgiebt, der nach der bisherigen Rechtsordnung 
Berechtigte zu sein.
	        
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