Full text: Die Legitimation einer usurpirten Staatsgewalt. Erste Abtheilung. (1)

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I. Schon Bodin stellt die Behauptung auf, daß, wenn die 
Nachkommen und Verwandten eines Usurpators sehr lange Zeit 
hindurch, d. h. hundert Jahre lang, die Herrschaft in beständiger 
Succession und ohne jede Störung von Seiten der Bürger 22) inne 
gehabt hätten, ihre Herrschaft nicht mehr eine usurpatorische, son- 
dern eine legitime sei; denn jene lange Verjährungsfrist habe die- 
selbe Kraft wie ein rechtmäßiger Entstehungsgrund, und die Bürger 
hätten durch die Unterlassung jeder Störung bewiesen, daß sie sich 
in die Herrschaft dieser Familie freiwillig fügten und dieselbe als 
legitim guthießen ?2). Der beigefügte Hinweis auf eine Pandekten- 
stelle.) zeigt, daß das Rechtsinstitut, auf welches Bodin sich bezieht, 
die unvordenkliche Zeit ist. — Wie Bodin überhaupt als ein Vor- 
läufer der historischen Schule betrachtet werden darf, so auch in 
diesem Punkte; aus dem Kreise von modernen Publicisten und Ju- 
risten, welche wir ihrer gemeinsamen Richtung wegen mit jenem 
Namen bezeichnen, sind zahlreiche Aeußerungen hervorgegangerg die 
eine Legitimität der Staatsgewalt kraft Verjährung statuiren. So 
sagt Burke gelegentlich?5), Verjährung (prescription) sei der so- 
lideste aller Rechtstitel, nicht allein für das Eigenthum, sondern 
auch für die Schützerin alles Eigenthums, die Regierung; insbeson- 
dere beruhe die Autorität der Britischen Verfassung mit Einschluß 
des Königthums nur auf ihrer unvordenklichen Dauer. Niebuhr 
meint °8), unleugbar gelte für das Staatsrecht eine Verjährung der 
Usurpation, wie im Privatrecht Verjährung des Besitzes (D. h. Er- 
sitzung). Savigny'#t) nimmt eine publicistische Verjährung an, 
das Urbild der unvordenklichen Zeit; vollendet sei dieselbe, „wenn 
der gegenwärtige Zustand schon so lange besteht, daß die jetzt lebende 
Generation keinen andern gekannt, ja selbst von ihren nächsten Vor- 
fahren keinen andern, als von diesen selbst erlebt, erfahren hat,“ 
denn unter solchen Voraussetzungen könne man annehmen, „daß 
  
92) Eine die Legitimirung hindernde Störung kann nach Bodin's Ansicht 
aber auch durch bloße Worte geschehen. 
93) Joannis Bodini De Republica libri sex, II, 5. 
94) L. 3, & 4, D. De aqua duotid. (43, 20). 
95) The Works of E. Burke, by Henry Rogers, Vol. II, pag. 487. 
96) Geschichte des Zeitalters der Revolution, I, S. 212 (citirt von Bluntschli, 
I. S. 26). 
97) System IV, S. 482—483. z
	        
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