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lichen Staatsrecht fehlt sie vollständig. In der That enthält auch
das Wesen des subjektiven Rechts kein Moment, woraus eine all-
gemeine Anwendung der Verjährung mit Nothwendigkeit resultirte,
und schon deshalb sind wir nicht berechtigt, jenen speciellen Anwen-
dungen (ohne specielle Gründe) eine analoge Ausdehnung zu geben10).
Für staatsrechtliche Befugnisse und insbesondere für die Staatsge-
walt ist aber wohl nirgends ausdrücklich die Zulässigkeit einer Ver-
jährung festgesetzt; wir wären also durchaus auf die Analogie an-
gewiesen. Diese fällt zunächst in manchen Ländern durch eine ent-
gegengesetzte positive Bestimmung hinweg: so erklären die republi-
kanischen Verfassungen Frankreichs von 1793 und 1848 die Sou-
verainität für unverjährbar (vgl. N. 53); in England gab es bis
vor Kurzem überhaupt keine eigentliche Verjährung und gilt allge-
mein der Satz: „Nullum tempus occurit regi“ auch für das öf-
fentliche Recht t11). Sodann aber tritt der wesentliche Unterschied
zwischen Staats= und Privatrecht, der überhaupt jede Analogie zwi-
schen diesen beiden Rechtstheilen als ein überaus gefährliches Expe-
riment erscheinen läßt 112), auch jeder Anwendung des Verjährungs-
begriffs auf politische Rechte und insbesondere auf das Souveraini-
tätsrecht hemmend entgegen. Die politischen Rechte sind ein Haupt-
bestandtheil der staatlichen Ordnung, auf ihnen beruht der staatliche
Organismus; im eminentesten Grade gilt dies von der Souverai=
nität; es kann daher nicht der Ausübung, welche vom rechtlichen
Standpunkt als ein bloßes Faktum, als ein Zufall, erscheint, über-
lassen sein, das Subjekt politischer Rechte und namentlich der Staats-
gewalt zu fixiren 113); es läge darin eine nicht hinwegzuleugnende
Beeinträchtigung des Volks, dem jeder rechtliche Einfluß auf die
Wahrnehmung seiner höchsten Interessen entzogen wäre. Diese
Wahrheit haben die Anhänger der Verjährungstheorie zum großen
110) v. Savigny, V, S. 266, nennt es einen „grundfalschen Rechtssatz“,
daß alle Rechte überhaupt durch fortwährend versäumte Ausübung untergehen
sollen. — Windscheid, § 105: „Die Verjährung muß für jedes Recht, auf wel-
ches sie angewendet werden soll, besonders nachgewiesen werden.“
1411) Stephen, New Commentaries, I, S. 649—656; II, 460.
112) Uebereinstimmend Zöpfl, I, § 38, N. 5; Bluntschli, Staatsr. II. S. 55—56.
113) Mit Unrecht will Gerber, Staatsrecht, 66, N. 13, die Folgerung aus
der obigen Prämisse auf einen Rechtserwerb, durch welchen ein öffentliches Recht
selbst substantiell begründet werden soll, beschränken; nicht allein die Zulässigkeit,
die Zahl und der Inhalt öffentlicher Rechte (S. 17 im Tert), sondern auch ihre
Verleihung „steht im organischen Staate unter der Fügung abfsoluter Normen“.