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rechtmäßige Staatsherrscher auf dem Wege Rechtens sich wieder in
den Besitz der ihm entzogenen Herrschaft setzen kann, so lange er
auf seine eigene Kraft gegenüber dem Usurpator angewiesen ist,
kann von einem Verlust der Staatsgewalt durch Verjährung nicht
die Rede sein ). Mithin würde auch aus diesem Grunde eine
Legitimirung der usurpatorischen Herrschaft durch Verjährung nur
dann statthaft sein, wenn das Recht des bisherigen Herrschers, resp.
seiner Nachkommen, auf eine andere Weise erloschen wäre.
III. Wir haben uns bisher an den allgemeinen Begriff und
Grund der Verjährung gehalten; dieser Begriff ist aber, wie wir
bereits angedeutet haben, nur eine Abstraktion aus verschiedenen
Instituten, die zum Theil neben den gemeinschaftlichen Erfordernissen
besondere haben; eine analoge Anwendung müßte auch die letzteren
respektiren. Für die erlöschende Verjährung genügen allerdings in
der Regel jene allgemeinen Erfordernisse; aber diese könnte für die
Legitimirung der widerrechtlich in Besitz genommenen Staatsgewalt
überhaupt nur eine vorbereitende Wirkung äußern. Dagegen für
den Erwerb eines Rechts durch Verjährung, für die s. g. Ersitzung,
werden durchgängig und mit vollem Grund weitergehende Forde-
rungen aufgestellt. Schon in sehr alter Zeit hat das Römische
Recht die Ersitzung des Eigenthums an bona fides und iustus
titulus geknüpft; die von Justinian eingeführte außerordentliche
Eigenthumsersitzung setzt mindestens den guten Glauben des Er-
sitzenden voraus; für die Servitutenersitzung verlangt das Römische
Recht einen fehlerfreien Besitz, das kanonische Recht hat bekanntlich
das Erforderniß der bona fides auf jede Ersitzung ausgedehnt. In
der That erscheint auch aus rechtsphilosophischem Standpunkt der
unredliche Besitz als eine ungeeignete Grundlage der Verjährung;
das Recht darf nicht die Unredlichkeit belohnen m.). Der Usurpator
einer Staatsgewalt wird aber meist das Bewußtsein der Rechts-
widrigkeit des Besitzes haben, und sollte er im guten Glauben an
theile durch Verjährung erwerben, weil die rein staatliche Natur der Herrschaft zu
den ausdrücklich vorbehaltenen „jetzigen Verhältnissen der Bundesglieder“ gehörte.
(Vgl. die Wiener Schlußakte Art. 23 und dazu H. A. Zachariä. I, & 63, N. B.)
119) Wenigstens müßte die im Justinianeischen Recht als Surrogat für die Klag-
erhebung zugelassene Protestation in Bezug auf die Staatsgewalt stets die Wir-
kung haben, die begonnene Verjährung zu unterbrechen.
120) Nemo ex dolo suo lucrari debet (nach 1. 12 D. De dolo malo
(4, 31).