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zu einer rechtmäßigen zu machen, als die Ueberzeugung von ihrer
gesicherten Dauer oder ihrer bereits erlangten Legitimität ausdrücken.
Dieser Wille darf, ja kann auch nicht aus derartigen Handlungen
mit juristischer Nothwendigkeit gefolgert werden, weil der Wille der
Einzelnen, ein Recht der Staatsherrschaft zu verleihen, von recht-
lichem Standpunkt aus nicht exristiren kann, nichtig ist; denn selbst
auf dem Boden der Volkssouverainität steht nicht den Individuen,
sondern dem Volk als Gesammtpersönlichkeit die Staatsgewalt und
demnach das Recht der Uebertragung derselben zu ½). Nur die mit
der Gesetzgebung und zwar speciell der verfassungsgebenden Gewalt
betrauten Repräsentanten des Volks, respective die souveraine Volks-
versammlung würden zur Schaffung eines neuen Staatsorgans be-
rufen sein; nur sie könnten daher einen auf diesen Zweck gerichteten
rechtsgültigen Willen haben und möglicherweise auch durch conclu-
dente Handlungen kundgeben; aber abgesehen von dem thatsächlichen
Moment, daß sie unter einer usurpatorischen Herrschaft, wenn ihr Zu-
sammentritt überhaupt erfolgt, kaum einen andern Akt als die Gut-
heißung der Usurpation werden vornehmen dürfen, also auch keinen,
aus dem diese Gutheißung gefolgert werden könnte, ist überall und
nach der Natur der Sache ausdrückliche Willenserklärung Erforder-
niß jedes Gesetzes.
2. Diese ausdrückliche Willenserklärung kann, wie erwähnt,
entweder durch unmittelbare Abstimmung, oder durch dazu legiti-
mirte Vertreter geschehen. Die Repräsentation nennt man eine con-
stituirende Versammlung oder Convent, weun sie ausschließlich (ohne
Mitwirkung eines andern Willens) und speciell (ohne andere Auf-
gabe) zur Feststellung einer neuen Verfassung, namentlich zur Grün-
dung eines neuen Staats oder zur Schaffung eines neuen Trägers
der Staatsgewalt berufen ist; ein principieller Unterschied zwischen
einer constituirenden und einer gewöhnlichen gesetzgebenden Ver-
sammlung, falls nur diese allein auch für Verfassungsänderungen
159) Anders liegt die Frage, wenn es sich um die Herrschaft eines Staates
über Individuen handeln sollte, die rechtlich keinem Staatsverbande angehören;
diese können durch ihre Einwilligung ihr thatsächliches Verhältniß zu diesem
Staate in ein rechtmäßiges verwandeln, ja, sofern überhaupt die Begründung
eines Staates durch Vertrag juristisch möglich ist, dem Staate selbst ein recht-
liches Dasein geben; in einem solchen Fall würden auch die im Tert angeführten
positiven Handlungen als ein Beweis der Einwilligung gelten können. Vgl.
Mohl, Encyklopädie, S. 88—89.