Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

140 II. Abschnitt. Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate. 8 27. 
1. kann. 
Die Verhängung der Strafe ist also in das Ermessen der Zentralbehörde 
des Heimatstaates gelegt, welche allein berufen ist, den dem Avokatorium nicht 
Folge Leistenden der Staatsangehörigkeit verlustig zu erklären. 
Das dabei zu beobachtende Verfahren seitens der Zentralbehörden der 
Bundesregierungen muß ein einheitliches sein. Es würde dem Geist dieser ge- 
setzlichen Bestimmung durchaus widersprechen, wenn die Zentralbehörden der 
Bundesstaaten bei Verhängung der Strafe nicht von gleichen Grundsätzen ge- 
leitet würden; denn wie das Avokatorium vom Kaiser ausgeht, wie es nicht für 
die Angehörigen einzelner Bundesstaaten, sondern für das ganze Reich erlassen 
wird, wie die Frist, binnen welcher die Rückkehr zu erfolgen hat, und das Strafe 
maß gegen den Ungehorsamen — Verlust der Staatsangehörigkeit — einheit- 
lich festgesetzt sind, so muß auch die Untersuchung und eventuelle Verurteilung 
der einzelnen Fälle des Ungehorsams von den Zentralbehörden nach einheit- 
lichen Grundsätzen erfolgen. 
2. Beschluß der Zentralbehörde seines Heimatstaates. 
De lege ferenda ist folgendes in Erwägung zu ziehen: 
Die in dem § 27 enthaltene Bestimmung hat ihren Grund in der Ver- 
pflichtung zur Treue und zum Gehorsam aller Reichsangehörigen in einer das 
allgemeine Reichsinteresse betreffenden Angelegenheit; das allgemeine Reichs- 
interesse erheischt aber, daß, wie bereits in Anm. 1 zu diesem Paragraphen dar- 
gelegt ist, hinsichtlich aller auf das Avokatorium bezüglichen Maßnahmen ein 
einheitliches Verfahren Platz greife und daß der Reichsangehörige, der sich 
gegen den § 27 vergangen hat, infolgedessen wenn er mehrere Indigenate in 
Deutschland besitzt, dieselben gleichzeitig verliere. Daß die im § 27 verzeichnete, 
gegen Kaiser und Reich begangene strafbare Handlung von den verschiedenen 
Bundesstaaten verschieden geahndet werde, erscheint undenkbar. 
Aus diesen Gründen erachte ich es für durchaus ge- 
boten, daß die Aberkennung der Staatsangehörigkeit in 
Verlust der Reichsangehörigkeit umgewandelt werde, und 
daß der hierfür erforderliche Beschluß vom Reichskanzler 
oder von der damit beauftragten Reichsbehörde ausgehe. 
3. verlustig. 
Es-ist in dem Gesetz nicht zur Kenntnis gebracht worden, ob die Ver- 
lusterklärung gegen den Widerspenstigen durch öffentliche Bekanntmachung 
oder durch Zustellung an den Schuldigen wirksam wird. Ich würde mich für 
die erstere Alternative entscheiden; denn wenn der Schuldige, wie ich zu Ehren 
des deutschen Namens annehme, von dem kaiserlichen Avokatorium nichts er- 
fahren hat, so wird auch eine Zustellung an ihn durch den Konsul im allgemeinen 
nicht ermöglicht werden können. 
In Anbetracht dessen, daß nach meiner Annahme der Widerspenstige zu- 
meist infolge lokaler oder physischer Verhältnisse dem kaiserlichen Avokatorium 
nicht nachkommen konnte, hätte demselben ein Rekurs an die Hand gegeben 
werden können, um sich gegen die Ausbürgerung zu verteidigen; dies ist nicht 
8 27.
	        
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