Anhang. Anlage Nr. 5. 201
8 5. Die öffentliche Unterstützung hilfsbedürftiger Deutscher, welche
endgültig zu tragen kein Ortsarmenverband verpflichtet ist (der Land-
armen), liegt den Landarmenverbänden ob. Zur Erfüllung dieser Ob-
liegenheit hat jeder Bundesstaat bis zum 1. Juli 1871 entweder unmittel-
bar die Funktionen des Landarmenverbandes zu übernehmen oder be-
sondere, räumlich abgegrenzte Landarmenverbände, wo solche noch nicht
bestehen, einzurichten.
Dieselben umfassen der Regel nach eine Mehrheit von Ortsarmen-
verbänden, können sich aber ausnahmsweise auf den Bezirk eines einzigen
Ortsarmenverbandes beschränken.
8 6. Armenverbände, deren Mitgliedschaft an ein bestimmtes
Glaubensbekenntnis geknüpft ist, gelten nicht als Armenverbände im
Sinne des Gesetzes.
§ 7. Die Orts- und Landarmenverbände stehen in bezug auf die
Verfolgung ihrer Rechte einander gleich. Hat ein Bundesstaat unmittel-
bar die Funktionen des Landarmenverbandes übernommen (8 5) so steht
er in allen durch dieses Gesetz geregelten Verhältnissen den Landarmen-
verbänden gleich.
8 8. Die Landesgesetze bestimmen über die Zusammensetzung und
Einrichtung der Ortsarmenverbände und Landarmenverbände, über die
Art und das Maß der im Falle der Hilfsbedürftigkeit zu gewährenden
öffentlichen Unterstützung, über die Beschaffenheit der erforderlichen
Mittel, darüber, in welchen Fällen und in welcher Weise den Ortsarmen-
verbänden von den Landarmenverbänden oder von anderen Stellen eine
Beihilfe zu gewähren ist, und endlich darüber, ob und inwiefern sich die
Landarmenverbände der Ortsarmenverbände als ihrer Organe behufs
der öffentlichen Unterstützung Hilfsbedürftiger bedienen dürfen.
§ 9. Der Unterstützungswohnsitz wird erworben durch
a) Aufenthalt,
b) Verehelichung,
e) Abstammung.
§ 10. Wer innerhalb eines Ortsarmenverbandes nach zurück-
gelegtem sechzehnten Lebensjahre ein Jahr lang ununterbrochen seinen
gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat, erwirbt dadurch in demselben den
Unterstützungswohnsitz.
Sind in der örtlichen Abgrenzung der Ortsarmenverbände während
des Laufes der einjährigen Frist Anderungen eingetreten, so wird
deren Wirkung auf den Beginn der Frist zurückbezogen.
§ 11. Die einjährige Frist läuft von dem Tage, an welchem der
Aufenthalt begonnen hat.