Anhang. Anlage Nr. 11. 241
Anlage Nr. 11.
Ministerialentschließung vom 9. März 1895, die Auslegung
und Anwendung des § 3 Absatz 2 des Freizügigkeitsgesetzes
' betreffend.
(MABl. 1895 S. 187.)
Anläßlich der Beratung und Festsetzung der mit Ministerialent-
schließung vom 27. Juli 1894 (Min ABl. S. 277) veröffentlichten Grund-
sätze über die Auslegung und Anwendung des § 3 Abs. 2 des Freizügig-
keitsgesetzes wurde von den Bundesregierungen weiter die Frage erörtert
über die Befugnis zur Ausweisung auch seitens desjenigen Bundesstaates,
in welchem der Auszuweisende einer Aufenthaltsbeschränkung unterliegt
oder eine Bestrafung wegen wiederholten Bettels oder wiederholter
Landstreicherei erlitten hat.
Eine Vereinbarung über diese Frage ist im Bundesrate nicht ge-
troffen worden. Die obengenannten Stellen und Behörden (nämlich
die Kgl. Regierungen, Kammern des Innern und die Distriktsverwal-
tungsbehörden) haben daher wie bisher daran festzuhalten, daß aus dem
Königreiche Bayern auch solche Bundesangehörige ausgewiesen werden
können, welche in Bayern einer Aufenthaltsbeschränkung infolge einer
vorausgegangenen Bestrafung unterliegen oder welche in Bayern eine
Bestrafung wegen wiederholten Bettels oder wiederholter Landstreicherei
erlitten haben.
Das Kgl. preußische Ministerium des Innern nimmt in dieser Frage
im Prinzipe einen anderen Standpunkt ein, hat jedoch in einem Erlasse
vom 28. Juli 1894 (Regers Entscheidung usw. Bd. XV S. 99) die preu-
ßischen Behörden angewiesen, Bayern gegenüber das gleiche Verfahren
zu beobachten, welches von Bayern zur Anwendung gebracht wird, so
daß also in Zukunft bei dem Zutreffen der übrigen Erfordernisse des
§ 3 Abs. 2 des Freizügigkeitsgesetzes auch bayerische Staatsangehörige,
welche in Preußen Aufenthaltsbeschränkungen unterworfen sind oder
welche in Preußen eine Bestrafung wegen wiederholten Bettels oder
wegen wiederholter Landstreicherei erlitten haben, aus Preußen aus-
gewiesen werden.
Sollten etwa künftig in Fällen der Ausweisung preußischer Staats-
angehöriger aus dem bayerischen Staatsgebiete auf Grund § 3 Abs. 2
des Freizügigkeitsgesetzes seitens preußischer Behörden bezüglich der
Übernahme Schwierigkeiten bereitet werden, so wäre zunächst auf den
vorerwähnten preußischen Ministerialerlaß vom 28. Juli 1894 hinzu-
weisen und erforderlichenfalls berichtliche Vorlage hierher zu erstatten.
Cahn, Staatsangehörigkeitsgesetz. 4. Aufl. 16