Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Erster Jahrgang. 1873. (1)

— 323 — 
welchem ihn der Ehemann besessen habe, und dahin gehöre auch der begonnene Lauf der zweljährigen 
Verjährung. Ein neues Rechtsverhältniß — so wird ausgeführt — und die Beseitigung der laufen- 
den Verjährung habe dadurch M Ungunsten des bisherigen Unterslützungswohnsitzes nicht herbei- 
geführt werden sollen. Diese Aussührung beruht aber auf einer irrigen Auffassung der Grundsätze 
über die Verjährung, soweit dieselben auf die vorliegenden, dem öffemlichen Rechte angehörigen 
Verhältnisse Anwendung finden. Eine noch nicht abgelaufene Verjährung hat überhaupt keine recht- 
liche Bedeutung. Sie läßt dasjenige Recht, welches durch den Ablauf verloren werden würde, voll- 
ständig unberührt, nur an den vollständigen Ablauf der Verjährungsfrist sind rechtliche Folgen von 
dem Gesetze geknüpft; es kann daher auch von einem Einflusse der noch laufenden Verjährung auf 
den Umfang des dem Manne bei seinem Tode zustehenden Rechts des Unterstützungswohnsitzes so 
wenig als von Beseitigung einer noch nicht abgelaufenen Verjährung zu Ungunsten des bisherigen 
Unterstützungswohnßitzes durch die dem Tode beigelegte Tragweite einer Unterbrechung die Rede 
sein. Wie der Mann bis zum Ablaufe der Frist das gleiche Recht besitzt, wie vor seiner Entfer- 
nung rom Orte seines Unterstützungswohnsitzes, so verbleibt dasselbe bei seinem Ableben in gleicher 
Felen seiner Wittwe, welcher Theil der Verjährungsfrist auch bereits verstrichen sein mag, seit 
  
  
r Mann von jenem Orte abwesend gewesen ist. Die Wittwe erhält jetzt den Unterstützungswohn- 
itz des Mannes als etinen selbstständigen, während sie bisher nur einen accessorischen an demselben 
Orte wie ihr verstorbener Ehemann gehabt hatte. Wenn es sich nun um den Erwerb eines neuen 
Unterstützungswohnsitzes durch die Wittwe im Sinne des §. 16 cit. handelt, so kann der die gesetz- 
liche Frist noch nicht erfüllende, von ihr nach dessen Tode fortgesetzte Aufenthalt ihres Mannes an 
dem Orte des angeblichen neuen Unterstötzungswohnsitzes nicht in Betracht kommen. Denn das 
Gesestz erkennt eine Einheit der Personen zwischen Ehemann und Wittwe in dieser 
Nichtung, eine Fortsetzung des Aufenthaltes des Ersteren durch Letztere nicht an, der 
8. 10 des Reichegesezes, auf welchen der §. 16 verweist, knüpft den Erwerb des Unterstützungs- 
wohnsitzes seiner Fassung nach an den zweijährigen persönlichen Aufenthalt desjenigen, der den 
Unterstützungswohnsitz erworben haben soll, innerhalb des betreffenden Ortsarmenverbandes, und 
dieser persönliche Aufenthalt muß auch ein selbststäntiger sein; es kann daher auch der Auf- 
enthalt der Wittwe bei ihrem Manne bis zu dessen Tode so wenig, wie deren etwa 
von demselben getrennter Aufenthalt an einem anderen Orte in Anrechnung kommen, 
da, so lange der Mann lebt, — abgesehen von den Ausnahmefällen des §. 17 — der Auf- 
enthalt der Frau für die gründung eines Unterstützungswohnsitzes rechtlich 
bedeutungslos ist und niemals die Quelle von Rechten und Verpflichtungen werden 
kanpn. Ein Gleiches muß aber gelten rückssichtlich des Verlustes des bei der Auflssung der Ehe 
gehabten, und zufolge des §. 16 von der Wittwe beibehaltenen Unterstützungswohnsitzes durch un- 
unterbrochene zweijährige Abwesenheit. Auch insorern ist im Gesetze von einer Einrechnung der Frist, 
während welcher der Mann bereits von dem Orte dieses Unterstützungswohnsitzes abwesend gewesen 
ist, nicht die Rede. Der §. 22 Nr. 2, auf welchen der §. 16 in dieser Hinsicht verweist, ist 
nur von einer persönlichen Abwesenhelt im Zustande der Selbstständigkeit bezüglich 
des Unterstützungswohnsitzes zu verstehen. Es ist daher im §. 16 an eine Abwesenheih der 
Wittwe selbst während zweier Jahre nach dem Ableren des Mannes gedacht. Sie kann ein 
Recht, welches von diesem Zeitpunkte an ihr selbstständiges geworden ist, auch nur durch zweijährige 
ununterbrochene selbstständige Abwesenheit verlieren. 
Die Richtigkelt dieser Auslegung des §. 16 wird durch die Bestimmungen des Gesetzes bezüg- 
lich des analogen Verhältnisses der Kinder bestätigt, welche nach §. 18 in Verbindung mit dem- 
selben §. 22 Nr. 2, den §§. 23 bis 27 den zur Zeit des Todes ihres Vaters von diesem besessenen 
Unterstützungswohnsitz bei fortdauernder Abwesenhelt selbstständig bis zum vollendeten 26. Lebens- 
jahre beibehalten, indem nach der ausdrücklichen Bestimmung des §. 22 Nr. 2 die zweijährige Frist 
für sie erst von ihrer Großjährigkeit an, ohne Rücksickt auf die Zeit gerechnet werden kann, während 
welcher ihr Vater von seinem letzten, beim Tode noch nicht verlorenen Unterstützungswohnsitz ab- 
wesend gewesen sein mag. 
War im vorliegenden Falle aber von der Zeit abgesehen, während welcher der verslorbene 
Ehemann der Wittwe K. nach der eigenen Aufstellung der Klage von seinem letzten Unterstützungs- 
wohnsitz bei seinem Tode abwesend gewesen ist, also von der Zeit zwischen dem 1. August 1870 
und dem 12. November 1871, so hatte die K. bei dem Hervortreken ihrer Bedürftilkeit — am 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.