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es kann daher die diesem Kinde gewährte Unterstützung nicht als eine ihm selbst gewährte angesehen
werden. Ebenso verfehlt ist der Einwand des Verklagten, daß der Lauf der Frist durch den vom
Kläger an den Verklagten gestellten Antrag auf Uebernahme der Katharina N. unterbrochen worden
sei. Denn nur ein Antrag des Verklagten auf Uebernahme des X. hätte nach 8. 14 ibid.
den Lauf der Frist unterbrechen können. Ein solcher Antrag ist niemals erhoben worden und hat
auch nicht erhoben werden können, weil eine öffentliche Unterstützung des X. niemals statt-
gefunden hat.
Dagegen kommt allerdings in Frage, ob der Umstand, daß die verehelichte K. durch die ihrem
unehelichen Kinde seit dem 1. April 1872 gewährte öffentliche Unterstützung für mitunterstützt zu
erachten ist, es rechtlich hinderte, daß sie am 1. Juli 1873 in das von ihrem Ehemann in diesem
Zeltpunkte erworbene neue Hülfsdomizil mitüberging. Diese Frage ist jedoch zu verneinen. Wie
das Bundesamt bereits wiederholt angenommen hat (Erk. vom 9. Juni 1873 in Sachen Harriehausen
e. Hannover und vom 13. September 1873 in Sachen Dorstfeld c. Seppenrade), gilt der Grund-
satz, daß eine einmal begonnene Fürsorgepflicht für den obligirten Verband so lange fortdauert, wie
die Nothwendigkeit der öffentlichen Unterstützung selbst, wohl für den Erwerb des Unterstützungs-
wohnsitzes durch Aufenthalt, da der Lauf der Erwerbsfrist nach positiover Vorschrift während der
Dauer einer gewährten Unterstützung ruht, nicht aber für den Erwerb des Unterstützungswohnsitzes
durch Verehelichung. Die Vorschrift des §. 15, daß die Ehefrau vom Zeitpunkte der Eheschlie-
ßung den Unterstützungswohnsitz des Mannes theilt, ist eine unbedingte und gestattet nicht die
Sanktion einer Ausnahme für den Fall, daß die Ehefrau zur Zeit der Eheschließung oder der Ver-
änderung des ehemännlichen Hülfsdomizils während der Ehe bereits aus öffentlichen Mitteln unter-
stützt wird. Die entgegengesetzte Annahme würde dem Prinzip der Familieneinheit widersprechen.
Die Nechtsregel des §. 15 begründet in gleicher Weise die Sukzession der Frau in einen während
der Ehe vom Manne erworbenen neuen Unterstützungswohnsitz, wie den Eintritt in das bei Ein-
ehung der Ehe vorhandene Hülfsdomizil des Mannes. Beide Fälle müssen daher der gleichen recht-
ichen Beurtheilung unterliegen und es kann deshalb auch eine während der Ehe eingetretene Unter-
stützung der Frau die Theilnahme derselben an einem hinterher vom Manne erworbenen neuen
Unterstützungswohnsitz nicht ausschließen, vorausgesetzt, daß diese Unterstützung nicht zugleich als eine
dem Manne gewährte zu betrachten ist, in welchem Falle eine Veränderung des Hülfsdomizils des
Letzteren durch fortgesetzten Aufenthalt überhaupt nicht denkbar wäre. Eln solcher Fall liegt aber
nach dem Ausgeführten hier nicht vor.
Hat nach alledem die verehelichte X. mit ihrem unehelichen Kinde am 1. Juli 1873 den Un-
terstützungswohnsitz in Frankfurt a. M. erlangt, so erscheint das angefochtene Erkenntniß vollkommen
gerechtfertigt und muß daher dasselbe auf Kosten des Verklagten bestätigt werden.
5. Post-Wesen.
Fahrposttarif vom 1. Januar 1874 ab.
Der für den Fahrpostverkehr mit Oesterreich-Ungarn gegenwärtig gültige Tarif bleibt bis auf Weiteres
noch über den 1. Januar 1874 hinaus bestehen.
Der vom 1. Januar 1874 ab im inneren Verkehr des Reichs-Postgebiets, im Wechselverkehr des
Reichs-Postgebiets mit Bayern und Württemberg und im Verkehr zwischen Bayern und Württemberg in Kraft
tretende neue Tarif für Packet= und Werthsendungen wird mithin auf Fahrpostsendungen nach und aus Oester-
reich-Ungarn, sowie auf die im Transit durch Oestlerreich-Ungarn zu befördernden Fahrpostsendungen zu-
nächst keine Anwendung finden. Dagegen liegt es in der Absicht, den neuen Tarif auf den gesammten Fahr-
postverkehr mit dem Auslande auszudehnen, soweit derselbe durch deutsche Auswechselungs-Postanflalten direkt
vermittelt wird. Hiernach kommt der besondere Auslands-Tarif im Verkehr mit den meisten fremden
Ländern in Fortfall und wird vorläufig nur für Sendungen bestehen bleiben, welche im Transit durch
Oesterreich-Ungarn Beförderung erhalten, z. B. nach und aus Friechenland via Triest, Jtalien auf dem
Wege über Oesterreich 2c.