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der entscheidenden Frist nicht gewöhnlich daselbst aufgehalten, vielmehr an verschiedenen Orten gearbeitet und
nur ab und zu seine von ihm unterstützte Familie in Hespert besucht habe.
Die Westphälische Deputation für das Heimathwesen hat den Verklagten nach dem Klageantrage ver-
urtheilt und das Bundesamt durch Erkenntniß vom 11. Mai 1874 auf die Berufung des Verklagten diese Ent-
scheidung bestätigt, indem es in den Gründen Folgendes ausführte:
Der Verklagte und Appellant kann auch in dieser Instanz nicht behaupten, daß der verstorbene
Bergmann R. nach der polizeilichen Anmeldung seines Anzugs in Hespert und nachdem ihm die
Niederlassung daselbst verwelgert worden, nichtsdestoweniger für seine Person dort Wohnsitz ge-
nommen habe. Er glaubt vielmehr, daß, da der Aufenthalt der von R. als Familienhaupt unter-
stützten, und, so oft es seine Beschäftigung gestattete, von ihm besuchten Familie vom Vorstande
der Gemeinde Hespert geduldet worden sei, R. selbst nach Ablauf eines Jahres, jedenfalls aber nach
Ablauf von 3 Jahren Unterstützungswohnsitz daselbst erworben habe, da als dessen gewöhnlicher
Ausenthalt nur der Ort angesehen werden könne, wo sich seine von ihm unterstützte Familie befand.
Diese Ausführungen sind aber nicht begründet. Für die Erwerbung eines Unterstützungs-
wohnsitzes in Gemäßheit des §. 1 Nr. 2 des preußischen Armenpflegegesetzes vom 31. Dezember
1842 resp. Art. 1 der Novelle vom 21. Mai 1855 kann es nicht in Betracht kommen, daß die
Familie eines zum Anzuge Angemeldeten an einem Orte ihren Wohnsitz genommen hat. Nur die
persönliche Niederlassung des Familienhauptes, dessen Unterstützungswohnsitz den akzessortschen Unter-
stützungswohnsitz der Glieder seiner Familie bedingt, und die Fortsetzung des vom Familienhaupte
erworbenen Wohnsitzes durch dasselbe kann zum Erwerbe des Unterstützungswohnsitzes führen. Erst
wenn der allein entscheidende Akt der persönlichen Niederlassung des Familienhauptes stattgefunden
hat, kann es in Frage kommen, inwieweit der erworbene Wohnsitz dadurch fortgesetzt wird, daß die
Familie am Orte desselben verbleibt, während das Familienhaupt auswärts einem Erwerbe nachgeht
und von Zeit zu Zeit zu seiner Familie zurückkehrt.
Die Entscheidungen des Königlichen Obertribunals, auf welche der Appellant zur Bestätigung
seiner Ausführungen Bezug nimmt, stehen demselben nicht zur Seite. In dem Erkenntnisse vom
8. Mai 1863 in Sachen der Stadt Münster gegen den Landarmenverband der Provinz Westphalen
handelte es sich um die Frage, ob der Hülfsbedürftige Unterstützungswohnsitz in der genannten Stadt
erworben habe, obglelch er das auf Grund der westphälischen Städteordnung bei seiner polizeilichen
Anmeldung von ihm geforderte Einzugsgeld nicht bezahlt hatte, und deshalb alsbald von der Stadt
mit Ausweisung bedroht worden war. Das Obertribunal nahm an, daß der Unterstützungswohnsitz
erworben sei, obgleich die Stadt zur Ausweisung berechtigt gewesen sei, weil dieselbe von dem Rechte,
die Niederlassung von der Erlegung des Einzugsgeldes abhängig zu machen, nicht binnen Jahresfrist
Gebrauch gemacht, den Hülfsbedürftigen vielmehr in der Stadt geduldet habe. In dem Erkenntnisse
vom 12. Juni 1863 in Sachen der Gemeinde Eppenhausen gegen denselben Landarmenverband war
es streitig, ob der seiner Zeit zum Anzuge in Eppenhausen polizeilich angemeldete Arbeiter V. seinen
Unterstützungswohnsitz daselbst erworben habe, obgleich er während der betreffenden Periode fort-
während in einer Fabrik zu Hagen als Fabrikarbelter seinen Lebensunterhalt gewann?! Das Ober-
tribunal bejahte die Frage mit Rücksicht auf die Feststellung, daß V. nach seiner polizeilichen An-
meldung Wohnung in Eppenhausen genommen, auch diesen Aufenthalt bis zum Hervortreten seiner
Hülfsbedürftigkeit fortgesetzt habe, indem es unter solchen Umständen gleichgültig sei, ob er als
dortiger Einwohner auswärts Arbeiten verrichtete und mit dem Arbeitslohne seine sonstigen Be-
dürfnisse bestritt. Es war also in diesem Falle gerade der Moment der persönlichen Nlederlassung
entscheidend, an welchem es hier gebricht.
Auch von dem Erwerbe des Unterstützungswohnsitzes in Gemäßheit des §. 1 Nr. 3 des preußi-
chen Armenpflegegesetzes kann nicht die Rede sein, da die Gemelnde Hespert als gewöhnllcher Aufent-
altsort des R. nicht betrachtet werden kann, während sich nur seine Familie daselbst aufgehalten
und er ohne selbst thatsächlich dort seinen Aufenthalt zu fixiren, sie in Hespert nur besucht hat, so
oft es seine Beschäftigung gestattete.
Hat sonach R. in Hespert einen Unterstützungswohnsitz nicht erworben, auch weder in Ferndirf,
wo er sich bis zum Umzuge seiner Familie nach Hespert aufhielt, einen solchen besessen, noch an den