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Gesetzes gemäß in den Stand setzte, wegen seiner Verpflichtung zur Uebernahme der definltiven
Fürsorge die nöthig scheinenden Erkundigungen anzustellen, wie er denn auch selbst in der Klage-
beantwortung diese Mittheilung als die erste Anmeldung des Pflegefalls bezeichnet hat. Daß
Kläger damals mit der wirklichen Unterstützung des Kindes noch nicht begonnen hatte, macht die
Anzeige nicht bedeutungslos und rechtfertigt nicht die Präklusion seines Anspruchs. Denn wenn
der Anspruch nach §. 34 binnen sechs Monaten nach begonnener Unterstützung angemeldet werden
soll, so sollte damit nur der Zeitraum bezeichnet werden, in welchem dle Anmeldung spätestens
erfolgen müsse; nicht aber ist aus dieser Bestimmung der Grundsatz herzuleiten, daß elne frühere
Anmeldung, also die Anzeige von der bereits zu Tage getretenen Nothwendigkeit der öffentlichen
Fürsorge und der unmittelbar bevorstehenden Gewährung wirklicher Unterstützung zur Wahrung
des Erstattungsanspruchs nicht geeignet sei. Nachdem Verklagter mittelst des Erwiderungsschreibens
vom 11. Dezember 1871 die Uebernahme der Fürsorge positiv abgelehnt hatte, weil die Anna H.
den Unterstützungswohnsitz in Horsbüll verloren habe, war für den Kläger kein Anlaß mehr
vorhanden, nach dem nunmehrigen Beginn der öffentlichen Unterstützung den Verklagten noch
einmal zu befragen, ob er den Erstattungsanspruch anerkenne.
Aber auch abgesehen von dem Schreiben vom 4. Dezember 1871 erscheint der Anspruch des
Klägers in seinem ganzen Umfange gewahrt. Denn Kläger hat am 6. Januar 1872, also,
nachdem die Unterstützung bereits begonnen hatte, bei der betreffenden Kreis-Kommission in
Gemäßheit des §. 60 des preußischen Ausführungs-Gesetzes vom 8. März 1871 die Vornahme
eines Sühneversuchs in der in Rede stehenden Streitsache beantragt. Dieser Antrag enthielt
unzweifelhaft ebenfalls eine Anmeldung des Anspruchs, welche auch, wie das Schreiben der
Kommission vom 9. Februar 1872 und des Verklagten eigene Auklassung in der Berufungs-
Beantworkung ergiebt, spätestens im Februar 1872, also jedenfalls noch innerhalb der sechsmonatlichen
Frist zur Kenntniß des Verklagten gekommen ist, da zur Vornahme des Sühneversuchs Termin
anberaumt und zu demselben beide Theile geladen waren. Daß Kläger nach Anberaumung des
Termins seinen Antrag mit dem Bemerken, er wolle sich sofort an die Deputation für das Heimath-
wesen wenden, zurückzog, nahm der Anmeldung nicht ihre Wirkung.
In Sachen des Landarmenverbandes des Herzogthums Schlesien und der Grasschaft Glatz
wider den Ortsarmenverband zu Thiergarten hat das Bundesamt für das Heimathwesen ausgesprochen, daß
ein zur vorläufigen Unterstützung verpflichteter Armenverband im Allgemeinen diejenigen Mehrkosten nicht
erstattet verlangen kann, welche in Folge des Transports des Hülfsbedürftigen nach elnem dritten Orte
entstanden sind. In den Gründen des betreffenden am 3. Oktober 1874 gefällten Erkenntnisses heißt es:
in Erwägung, daß nach Lage der Sache, insbesondere nach der von dem Königlichen Land-
rathsamt zu Ohlau unter dem 27. April 1874 ertheilten Auskunft als erwiesen betrachtet werden
muß, daß nur durch den Transport der etc. B. aus Thiergarten (dem zur vorläufigen Pflege ver-
pflichteten Armenverbande) nach Baumgarten die Nothwendigkeit herbeigeführt worden ist, nach
dem Tode der etc. B. an die Ortskasse zu Baumgarten ein Grabstellengeld à 1 Thaler zu entrichten,
dessen Entrichtung zu Thiergarten nicht nothwendig gewesen sein würde,
daß ein ausreichender Anlaß, die etc. B., als sie am 8. August 1872 in hülfsbedürftigem
Zustande in Thiergarten eintraf, von dort nach Baumgarten zu transportiren, wenigstens nicht in
dem Maße als dargethan erachtet werden kann, daß es zulässig wäre, den Verklagten und Appellanten
bei seiner ausdrücklichen Weigerung zur Erstattung der lediglich in Folge des gedachten Transports
verursachten Mehrkosten anzuhalten, u. s. w.