Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Fünfter Jahrgang. 1877. (5)

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keit, sondern auch seinen wesentlichen Aufenthalt in Mesekenhagen und nicht am Wohnorte der An ' 
gehabt hat. Mag nun auch das Vertragsverhältniß, in welhe er nemiche zichtes lösbares gensrbrseen 
als dasjenige von ländlichem Gesinde zu sein pflegt, so erbringt doch die lange Dauer desselben zu voller 
Genüge den vom ersten Richter verlangten Nachweis einer auf längeren Aufenthalt am Arbeitsorte gerichteten 
Intention des H. So unentbehrlich die Absicht längeren Verweilens für die Qualifikation des Aufent- 
haltes als eines gewöhnlichen ist, so irrig wäre es, diese Absicht von vornherein für ausgeschlossen zu erachten 
wenn das Vertragsverhältniß dem fremden Arbeiter gestattet, dasselbe nach einer Kündigung mit kurzer Frist 
oder sofort wieder aufzugeben. Wenn er von dieser Freiheit keinen Gebrauch macht, so zeigt er deutlich 
genug durch die „Tbat, daß sein Aufenthalt am Arbeitsorte auch nach seiner Intention kein blos vorüber- 
gchender war.“ sin wenigsten kann ein Aufenthalt, welcher sieben Jahre gedauert hat, blos wegen des 
Na Sch ines sisten Dienstverhältnisses als ein vorübergehender im Gegensatze zu ständigem Aufenthalt 
Der eventuelle Einwand des Verklagten, daß wenigstens Frau und Kinder des « 
Hülfsdomizil in Greifswald behalten hätten, würde nur in Betracht kommen können, wenn die frühere Voraus- 
setzungen der §§. 17, 19 Alinea 2 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 gegeben wären. Die Ehefrau H. 
hat jedoch, nach dem eigenen Anführen des Verklagten, sich und die Kinder keineswegs ohne Beihülfe des 
Mannes ernährt, auch nicht völlig getrennt von demselben gelebt. 
Verklagter, welcher die Hülfsbedürftigkeit der Famile nicht bestreitet, war daher, unter Abänderung 
des ersten Erkenntnisses, dem Klageantrage gemäß zu verurtheilen, ·wovon die Floge ist, daß ihm auch die- . 
Kosten des Verfahrens zu last fallen.          ihm   
  
Nach einer Entscheidung des Bundesamtes vom 3. Februar 1877 in Sachen Berlin wider Eiberg ist die 
ungerechtfertigte Verzögerung der Uebernahme eines Hülfsbedürftigen durch den fürsorgepflichtigen Armenver- 
band ohne Einfluß auf die Höhe der von demselben zu erstattenden Verpflegungskosten. In den Gründen 
des Erkenntnisses heißt es: 
Die Berufung des Klägers richtet sich dagegen, daß ihm in erster Instanz nicht mehr als die tarif- 
mäßigen Pauschsätze für Kur und Verpflegung des geisteskranken F. an 816 Tagen zuerkannt worden sind, 
während er für die Zeit, wo Verklagter mit der Uebernahme des Kranken in eigene Fürsorge im Verzuge 
sich befand, sich berechtigt glaubt, statt des tarifmäßigen Pauschquantums, den zu einem höheren Durch- 
schnittssatz angegebenen Selbstkostenpreis der Verpflegung zu liquidiren. Unzweifelhaft hat Kläger, die 
Schwere der Krankheit vorausgesetzt, nach ausdrücklicher Bestimmung unter Nr. 2 des Tarifs vom 21. August 
1871 Anspruch auf volle Vergütung desjenigen zu spezialisirenden Aufwandes, welcher ihm durch ärztliche Be- 
handlung einschließlich der Heilmittel und Krankenwartung, im Gegensatze zu der gewöhnlichen Verpflegung, 
erwachsen ist und zwar auch für die Zeit, in welcher dem Verklagten kein Verzug zur Last gelegt werden kann. 
Allein spezielle Mehraufwendungen der gedachten Art für F. sind vom Kläger nicht behauptet und in Rech- 
nung gestellt. Er verlangt den Selbstkostenpreis der Verpflegung nach einem täglichen Durchschnittssatze, ohne 
zwischen Aufwendungen, welche unter Nr. 2 und solchen, welche unter Nr. 1 des Tarifs fallen, zu unterscheiden. 
Eine solche Berechnung entspricht nicht dem Tarife, welcher das unter Nr. 1 festgesetzte Aequivalent für die ge- 
wöhnliche Verpflegung unter keinen Umständen zu überschreiten gestattet, auch wenn der Aufwand nachweisbar 
in Wirklichkeit ein höherer war. Kläger will denn auch nicht von dem Vorbehalte unter Nr. 2 des Tarifs 
Gebrauch machen, sondern er schiebt den Tarif bei Seite, indem er seine Berechtigung geltend macht, ohne 
Rücksicht auf die in §. 30 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870, beziehungsweise in dem preußischen Tarif 
vom 21. August 1871 der Ersatzpflicht gezogenen Grenzen, den wirklichen Aufwand für die Verpflegung im 
Ganzen zu liquidiren, und diese Berechtigung aus der behaupteten mora des Verklagten ableitet. Dem steht
	        
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