Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Fünfter Jahrgang. 1877. (5)

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Als Minna T. an den Pocken im Mai 1871 hülfsbedürftig erkrankte, hatte sie unstreitig 
ihren Aufenthalt in Saatwinkel im Bezirke des verklagten Armenverbandes, welcher folglich zur 
Gewährung vorläufiger Fürsorge verpflichtet war, sobald seine Hülfe von der Kranken selbst, 
oder für dieselbe in Anspruch genommen wurde. Die Polizei= und Kommunalverwaltung in 
Saatwinkel stand nach der in jetziger Instanz eingezogenen amtlichen Auskunft des Amtsvorstehers, 
Domänenrath S., im Jahre 1871 dem Domänen-Polizeiamt Spandau zu, welches in der Stadt 
Spandau seinen Sitz hatte. Da ein Delegirter dieser Behörde in Saatwinkel sich nicht befand, 
so konnte der zur vorläufigen Unterstützung gesetzlich verpflichtete Armenverband nur in Spandau 
um Hülfe angegangen werden. Dies ist erfolglos insofern geschehen, als die kranke T. sich nach 
Belehrung über die zuständige Stelle unbestritten — Verklagter leugnet nur, daß seine Hülfe 
von der T. vor der Ankunft in Spandau in Anspruch genommen sei — in das Geschäftslokal 
des Domänen-Polizeiamts zu Spandau um Krankenpflege nachzusuchen, begeben, und erst nachdem 
sie in dem Geschäftslokale niemanden getroffen, bei der städtischen Kommunalverwaltung ihr 
Gesuch um Aufnahme in eine Krankenanstalt erneuert hat. Danach liegt von Seiten des Do- 
mänen-Polizeiamts thatsächliche Versagung der Fürsorge, welche der ausdrücklichen Verweigerung 
vollkommen gleichsteht, vor. 
Wenn der erste Richter annimmt, daß die Pflicht vorläufiger Fürsorge von dem Verklagten 
ohne weiteres auf den Kläger in dem Momente übergegangen sei, wo die T. in der Stadt 
Spandau angekommen, sich an einen städtischen Beamten wandte, und schon die Verweisung der 
Hülfesuchenden an das Domänen-Polizeiamt für ungesetzlich erklärt, so kann ihm darin nicht bei- 
getreten werden. Wie bereits hervorgehoben, war Hülfe für die Kranke von dem gesetzlich zur 
Fürsorge verpflichteten Armenverbande des Aufenthaltsortes im vorliegenden Falle nicht in Saat- 
winkel oder in Tegel, sondern nur in Spandau zu erlangen. Wenn ein Hülfsbedürftiger seinen 
Aufenthaltsort und den Bezirk des Armenverbandes, zu welchem derselbe gehört, zu verlassen ge- 
nöthigt ist, um die Obrigkeit des Aufenthaltsortes persönlich um Hülfe anzugehen, so kann ihm 
diese Obrigkeit schlechterdings nicht etwa deshalb ihre Hülfe versagen, weil er in den Bezirk eines 
anderen Armenverbandes übergetreten sei. War aber mit dem Eintritte der T. in das Weichbild 
der Stadt Spandau Verklagter seiner Fürsorgepflicht nicht enthoben, so durfte der städtische 
Beamte, Kämmerer M., an welchen sie sich zuerst wandte, die T. allerdings an den gesetzlich in 
erster Linie verpflichteten Verklagten resp. an das Domänen-Polizeiamt in Spandau mit dem 
Unterstützungsantrage verweisen. Nicht minder aber war es in der Ordnung, daß derselbe 
städtische Beamte die vom Domänen-Polizeiamt faktisch hülflos gelassene Kranke bei ihrer Rücklehr 
nißtt etwa ihrem Schicksal überließ, sondern nunmehr die Verpflegung im städtischen Krankenhause 
einleitete. « 
  
Das nachstehend mitgetheilte Erkenntniß des Bundesamtes vom 7. April 1877 in Sachen Wehlau /. Weh- 
lau führt aus, daß Vereinbarungen der Armenverbände, durch welche die Höhe der zu erstattenden Verpfle= 
gungskosten abweichend von dem bestehenden Tarife geregelt wird, von den Spruchbehörden in Armensachen 
bei der Festsetzung des Betrages der Ersatzforderung nicht zu berücksichtigen sind. " 
Den unbestritten domizillosen Dienstknecht August T. aus Abbau Holländerei, einer zum 
Bezirke des klagenden Armenverbandes gehörigen Ortschaft, hat Kläger als hülfsbedürftigen 
Kranken im Krankenhause zu Wehlau vom 27. September 1873 bis 24. Mai 1874 und wie- 
derum vom 17. bis 28. Juli 1874 verpflegt. Er hat von dem verklagten Landarmenverbande 
an Kur= und Verpflegungskosten auf 257 Tage zu einem Satze von 60 Pf. täglich, 154 Mark 
20 Pf. ersetzt erhalten, hält sich aber nach einem im Jahre 1865 mit der“ Verklagten getroffenen 
Uebereinkommen berechtigt, eine höhere als die tarifmäßige Pauschvergütung, nämlich 1 Mark
	        
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