Object: Deutsches Kolonialblatt. XIX. Jahrgang, 1908. (19)

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sache es gar nicht das tropische Klima sei, welches 
die tropische Nervenschwäche verursache, sondern 
die äußeren Verhältnisse, die Einsamkeit, man- 
gelnde Anregung und dergleichen. Das scheint 
mir, außer unter besonderen Verhältnissen, wie 
Kriegsunruhen, unrichtig: Wenn wir in der Hast 
des modernen Lebens und im Lärm der Groß-= 
stadt nervös geworden sind, so erholen wir uns 
wieder unter primitiven Verhältnissen auf dem 
Lande, ohne daß wir besonderer Anregungen, wie 
Theater und dergleichen, bedürfen. Das Leben 
in den Tropen ist aber im ganzen, wenigstens 
auf den Innenstationen, ein ruhiges, und die 
Tätigkeit zum mindesten bei den älteren Beamten 
und Offizieren eine selbständige und, wenn auch 
angestrengte, doch durch die ihnen obliegenden 
schönen Aufgaben der Landeskultivierung in sich 
selbst befriedigende. Ich glaube daher, daß es 
zum mindesten in der Hauptsache das Klima selbst 
ist, welches man für die Entstehung der vielen 
Erkrankungen an Nervenschwäche verantwortlich 
machen muß. 
Bei der Untersuchung der zurückgekehrten 
Kolonialbeamten und -offiziere war es mir auf- 
gefallen, daß gar kein großer Unterschied darin 
zu erkennen war, ob sie an der Küste oder im 
Innern des Landes tätig gewesen waren. Auch 
solche, welche im Höhenklima ihren Sitz gehabt 
hatten, kehrten häufig mit Nervenschwäche zurück. 
Kohlbrugge, der lange Jahre auf Java 
tätig war, behauptet direkt, daß auch das tropische 
Gebirgsklima das Nervensystem schädige. Er 
schreibt: 
„Ein Fehlschritt würde es sein, wenn der Tropen- 
bewohner nur in Gebirgen wohnen wollte, denn 
auch deren Klima wirkt auf die Dauer er- 
schlaffend, wie die Erfahrungen am Himalayn und 
auf Java gezeigt haben, so daß die Bewohner der 
Gebirge in den Tropen wieder neue Kraft und Energie 
schöpfen aus einem zeitweiligen Aufenthalt in tro- 
pischer Hitze.“ 
Es sind das alles Fragen, die nur durch dos 
praktische Leben gelöst werden können, und 
vielleicht einfacher gelöst werden als wir denken, 
es wäre aber auch möglich, daß daraus mehr 
oder weniger große Hindernisse für die Ansiedlung 
entstehen. Wenn der deutsche Bauer auch nur 
wenig von seiner Arbeitskraft einbüßt, so kann es 
dort, wo er mit bedürfnislosen, aber gerade in 
der Bodenbearbeitung nicht ganz ungeschickten 
Eingeborenen konkurrieren soll, seine Exristenz 
bedeuten. Ich erinnere Sie nur daran, daß 
gegenwärtig die Kakaoplantagen in West- 
afrika gegenüber den Kulturen der freien Neger 
einen harten Kampf zu bestehen haben. Wenn 
der Kakao der Negerkulturen auch weniger sorg- 
fältig gepflegt und deshalb minderwertig ist, so 
  
hat er doch durch die große Masse auf den Markt 
einen Einfluß gewonnen. 
Die Entstehung einer Mischbevölkerung ist 
im tropischen Afrika nicht so sehr zu befürchten, 
weil der Neger uns Germanen allzu fern steht. 
In Südwestafrika haben wir ja allerdings schon 
ein Mischvolk, die Bastards, aber sie sind eine 
Mischung von germanischem und Hottentottenblut. 
Mischlinge zwischen Deutschen und Negern sind 
bisher, wenigstens in unseren Kolonien, sehr selten. 
Die Erfahrungen anderer Kolonialvölker geben 
für die Frage der Möglichkeit einer europäischen 
Besiedlung tropischer Hochländer nur wenig An- 
haltspunkte, weil die Kolonisation solcher Gebiete 
noch sehr wenig versucht worden ist. Man führt 
oft die Buren als Beispiel an. Sie leben aber 
nicht in den Tropen, sondern in den Subtropen, 
und haben erst vor kurzer Zeit den Wendekreis 
überschritten, so daß man noch nicht weiß, ob sie 
sich auch in den Tropen zu halten vermögen. 
Sie sind jetzt erst etwa in der dritten Generation 
in Südafrika, haben sich aber so kräftig fortge- 
pflanzt, daß man wohl schon jetzt von einer voll- 
kommenen Akklimatisation sprechen kann. Von 
einzelnen wird allerdings auch von den Buren 
behauptet, daß sie bereits degenerieren. So führr 
Professor Passarge aus, daß die Buren vielfach 
herzkrank seien und daß Nervosität unter ihnen 
sehr verbreitet sei. Er schreibt dann: 
„Viel schlimmer aber ist der Einfluß, den das 
Zusammenleben mit den unterworfenen Kaffern ausübt. 
Denn einmal gewöhnt man sich bekanntlich sehr rasch 
daran, den Herrn zu svielen, bei jeder Gelegenheit die 
schwarzen Schepsels-, wie man die farbigen Bedienten 
nennt, zur Arbeit zu kommandieren, auch da, wo es 
eine Kleinigleit wäre, selber Hand anzulegen. Dadurch 
wird ihnen schon von Kind auf veine gewisse Faulheit 
und Hochmut anerzogen. schlimmer aber ist 
der Einfluß auf die beranwachsenren Kinder.“ 
und später sagt er: 
fza Rrieg mit den Engländern. at so recht diese 
— Verhälmmisse aufgede Volk, das zu 
einem Dritteil aus dehleen Sein u und Vater- 
landsverrätern besteht, mußte unterliegen. Der mora- 
lische Defekt ist der Hauptgrund für den ungünstigen 
Ausgang des Prieges.“ 
Die Wechselwirkung der Beziehungen zwischen 
eingewanderten Europäern und den Eingeborenen 
spielt in der Frage der Kolonisation eine sehr 
wichtige Rolle, ich will hier aber nicht darauf 
eingehen, da dies mehr in das politische, soziale 
und wirtschaftliche Gebiet gehört. Jedenfalls sind 
die Buren für unsere Frage nicht von Bedeutung, 
da ihre Landstriche von den eigentlich tropischen 
Hochländern doch wesentlich verschieden sind, sie 
find vielmehr einem Teile unseres südwestafrika- 
nischen Schutzgebiets sehr ähnlich. 
Bezüglich der europäischen Ansiedlungen in 
den Hochländern von Mexiko hat der Herr 
 
	        
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