Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Achtzehnter Jahrgang. 1890. (18)

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von dem Beschuldigten schon vorher gestellt war, gleichzeitig mit der Mittheilung des Termins der Haupt- 
verhandlung an den Angeklagten erfolgen. Die Verfügung wird von dem zur Ausübung der Gerichts- 
barkeit ermächtigten Beamten erlassen. Derselbe hat dabei zu prüfen, ob die im § 11 der Verordnung 
bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Erscheint in der Hauptverhandlung nach Ansicht des Gerichts die 
Verhängung einer höheren Strafe als der im §. 11 bestimmten angezeigt, so muß die Verhandlung ver- 
tagt und der Angeklagte zu dem neuen Termin vorgeladen und eventuell vorgeführt werden. 
Unter allen Umständen muß, wenn ohne die Anwesenheit des vom Ercheinen entbundenen An- 
geklagten verhandelt werden soll, derselbe, falls seine richterliche Vernehmung nicht schon im Vorverfahren 
erfolgt ist, durch einen ersuchten oder beauftragten Richter über den Gegenstand der Anschuldigung ver- 
nommen werden (Strafprozeßordnung §. 232 Abs. 2, 3). Nöthigenfalls ist diese Vernehmung nach Maß- 
gabe des §. 2 Nr. 6 dieser Anweisung einer anderen geeigneten Person zu übertragen. — Für das im 
§. 231 der Strafprozeßordnung vorgesehene Ungehorsamsverfahren bedarf es hingegen einer vorgängigen 
richterlichen Vernehmung des Angeklagten nicht. 
#„ 2. Das Verfahren in den nach §. 12 der Verordnung bezeichneten Gerichtsbehörden erster Instanz 
übertragenen Schwurgerichtssachen regelt sich nach den Vorschriften, welche für die im §. 28 des Gesetzes 
über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten Strafsachen gelten. Es findet daher auch der §. 9 des be- 
zeichneten Gesetzes Anwendung, wonach in dem Falle, daß die Zuziehung von vier Beisitzern nicht aus- 
führbar ist, die Zuziehung von zwei Beisitzern genügen soll. Dieser Fall wird auch dann als gegeben 
anzusehen sein, wenn in Folge der Zuziehung von vier Beisitzern in erster Instanz nach Lage der Ver- 
hältnisse eine ausreichende Zahl von Beisitzern für die eventuelle Verhandlung in der Berufungsinstanz 
nicht verwendbar bliebe, da bei dem Obergericht (§. 4 der Verordnung) eine Verminderung der Zahl 
von vier Beisitzern unstatthaft ist, die Personen aber, welche in erster Instanz als Beisitzer mitgewirkt 
haben, von der Mitwirkung in der Berufungsinstanz ausgeschlossen sind. 
3. In Schwurgerichtssachen muß der Angeklagte sowohl in der ersten als in der zweiten 
Instanz einen Vertheidiger haben (Strafprozeßordnung §. 140 Abs. 1, § 13 Abs. 4 der Verordnung). 
In diesen Sachen und ebenso in den Fällen, in welchen nach §. 140 Abs. 2 der Strafprozeß= 
ordnung die Vertheidigung eine nothwendige ist, ist dem Beschuldigten, welcher einen Vertheidiger noch 
nicht gewählt hat, ein solcher von Amtswegen zu bestellen, sobald das Hauptverfahren eröffnet wird. 
Beim Mangel geeigneter, zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft zugelassener Personen ist als Vertheidiger 
ein anderer achtbarer Gerichtseingesessener zu bestellen. « 
4. Auf das Strafverfahren in der Berufungsinstanz finden, soweit nicht in den 88. 36 bis 40 des 
Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit und in den §§. 4 und 13 der Verordnung etwas anderes be- 
stimmt ist, die Vorschriften des dritten Abschnitts im dritten Buche der Strafprozeßordnung Anwendung. 
Da die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft nicht stattfindet, so erfolgt im Falle der Einlegung der 
Berufung die Uebersendung der Akten (Strafprozeßordnung §. 362, Gesetz über die Konsulargerichts- 
barkeit §. 39) unmittelbar an das Obergericht. 
5. Soweit nach der Vorschrift des §. 420 der Strafprozeßordnung vor Erhebung der Privat- 
klage wegen Beleidigungen nachgewiesen werden muß, daß die Sühne erfolglos versucht worden, ist für 
diesen Vergleichsversuch der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte zuständig. Derselbe 
kann mit der Vornahme solcher Versuche andere Personen allgemein oder im einzelnen Falle beauftragen. 
Erscheint der Beschuldigte in dem zur Sühneverhandlung bestimmten Termin nicht, so wird an- 
genommen, daß er sich auf die Sühneverhandlung nicht einlassen wolle. — Eine Bescheinigung über die 
Erfolglosigkeit der Sühneverhandlung kann nur ertheilt werden, wenn der Antragsteller im Termin er- 
schienen ist. Kommt im Termin ein Vergleich zu stande, so ist derselbe zu Protokoll festzustellen. 
§. 9. 
Kostenwesen. 
(Zu F. 15 der Verordnung.) 
1. In den Rechissachen, auf welche die Civilprozeßordnung, die Konkursordnung oder die Straf- 
prozeßordnung Anwendung finden, werden die wirklich aufgewendeten Auslagen erhoben. Die Gebühren 
der Zeugen und Sachverständigen, sowie die Tagegelder und Reisekosten der Gerichtsbeamten werden in 
jedem einzelnen Falle unter Berücksichtigung der Umstände desselben festgesetzt.
	        
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