Full text: Lesebuch für Landwirtschaftliche Winterschulen und ähnliche Anstalten im Königreich Bayern.

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Den folgenden Tag wollte Napoleon gern mit den Verbündeten 
unterhandeln. Aber so glatt und gut auch seine Worte waren, man 
glaubte ihnen nicht. Er hatte nun einmal das Zutrauen verloren. Am 
Oktober begann daher auch der Kampf wieder. Der französische 
Kaiser hatte seine Soldaten näher zusammengezogen und war dicht an 
Leipzig gerückt. Hier wurde er nun von allen Seiten bestürmt. Klug 
und tapfer wehrte er sich; dieser Ruhm muß ihm bleiben. Von einer 
Anhöbe herab, bei einer Zerschossenen Windmühle, leitete er die Schlacht; 
ihm gegenüber hielten auf einem Hügel bei einer Ziegelscheune die Mo- 
narchen Friedrich Wilhelm III., König von Preußen, Kaiser Franz II. 
von OÖsterreich und Kaiser Alexander I. von Rußland. Unter ihren 
Augen führten die braven Krieger das große Werk aus. Ein Dorf nach 
dem andern wurde den Franzosen genommen; immer schlimmer erging 
es ihnen. Und siehe, noch war es nicht Abend, da sprengte der 
Feldherr Schwarzenberg den Hügel heran zu den drei Herrschern und 
meldete: „Wir haben gesiegt; der Feind zieht fort“. Die frommen 
Fürsten aber steigen von den Rossen, beugen ihre Knie vor dem All- 
mächtigen, welcher die Welt regiert und mit seiner Gnade bei denen ist, 
die auf ihn trauen, heben ihre Hände zum Himmel empor und beten 
im Staub den König der Könige an. Alle, die bei ihnen sind, tun ein 
Gleiches. Der kleine Hügel, wo dies geschah, heißt bis auf den heutigen. 
Tag der Dreimonarchenhügel. 
Als die dunkle Nacht schon das große Blutfeld bedeckte, befand- 
sich Napoleon noch auf dem Hügel bei seiner Windmühle, wo er sich 
ein Wachtfeuer hatte anzünden lassen. Er hatte seinem ersten Gehilfen, 
Berthier 1), die Anordnung des Rückzuges mitgeteilt und dieser diktierte 
Sie an einem Seitenwachtfeuer einigen Adjutanten. Ringsum herrschte 
tiefe Stille. Man hatte dem von harter Anstrengung der letzten Tage 
und noch mehr von den heftigsten Bewegungen des Gemüts erschöpften. 
Herrscher einen hölzernen Schemel gebracht, auf welchem er in Schlum- 
mer sank. Hoffnung, Furcht, Zorn, Ummut, Zähneknirschen — was 
mochte alles in diesen Tagen das heftige Gemüt erschüttert haben! 
Jetzt saß er, wie ein Augenzeuge ihn gesehen, nachlässig auf seinem 
Schemel zusammen gesunken, die Hände schlaff im Schoße ruhend, 
die Augen geschlossen unter dem dunklen Zelt des Himmels, mitten 
auf dem Leichenfeld, das er geschaffen hatte und welches durch die 
brennenden Dörfer und unzähligen Wachtfeuer wie mit verzehrenden 
Flammen besät war. Die Anführer standen düster und verstummt 
um das Feuer und die zurückziehenden Haufen rauschten in einiger 
Entfernung am Fute des Hügels vorüber. Nach einer Viertelstunde 
erwachte Napoleon und warf einen großen, verwunderungsvollen Blick 
im Kreise um sich her; dann stand er auf und begab sich nach Leipzig, 
Wo er gegen 9 Uhr eintraf. . 
Nach Mitternacht, als der Mond aufging, begann der Rückzug des 
ganzen Heeres durch Leipzig. Hier war ein Drängen und Treiben 
à4) sprich: Berthié.
	        
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