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2. Schul= und Unterrichtswesen.
Die von den Bundesregierungen vereinbarten einheitlichen Grundsätze für die Anerkennung von Reife-
zeugnissen der deutschen Schulen in Antwerpen, Brüssel, Bukarest und Constantinopel werden nach-
stehend bekannt gegeben.
Berlin, den 10. Oktober 1913.
Der Reichskanzler.
Im Auftrage: Lewal,d.
Vereinbarung
der Bundesregierungen über die Anerkennung von Reifezeugnissen der deutschen
Schulen in Antwerpen, Brüssel, Bukarest und Constantinopel.
Die Bundesregierungen haben übereinstimmend beschlossen, für die Anerkennung der Reife-
zeugnisse, welche Reichsangehörige an den deutschen Schulen in Antwerpen, Brüssel, Bukarest und
Constantinopel nach Abschluß des Lehrganges erwerben, fortan nachstehende Grundsätze zu befolgen.
1. Die Anerkennung der Reifezeugnisse erstreckt sich auf die bezeichneten Schulen, solange sie
folgende Bedingungen erfüllen:
a) Die gesamte Lehrdauer beträgt mindestens neun Jahre; die Aufnahme in die unterste
Klasse erfolgt in der Regel nicht vor der Vollendung des neunten Lebensjahrs.
b) Allgemein verbindliche Lehrfächer sind in der obersten Klasse Deutsch, Französisch,
Englisch, Geschichte, Geographie, Mathematik, Physik, Chemie und Zeichnen, in Brüssel
außerdem Lateinisch; in Bukarest kann an die Stelle des Englischen das Rumänische
treten.
c) Für die am Schlusse des ganzen Lehrganges in den einzelnen allgemein verbindlichen
Lehrfächern zu erfüllenden Zielforderungen gelten als Mindestmaß im wesentlichen die
aus den preußischen Lehrplänen für die höheren Schulen von 1901 sich ergebenden
Lehrziele.
ch Der Unterricht wird, mit Ausnahme unvermeidlicher, vorübergehender Vertretungen und
eines Teiles des fremdsprachlichen Unterrichts, nur von Lehrern erteilt, welche die wissen-
schaftliche und praktische Befähigung für die ihnen gestellte Lehraufgabe in einem
Bundesstaat ordnungsmäßig erworben haben. Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf
vereinzelte Lehrkräfte, die bereits angestellt sind und die erwähnte Befähigung nicht in
vollem Umfang besitzen; auch kann der Reichskanzler in besonderen Fällen aus Zweck-
mäßigkeitsgründen Ausnahmen zulassen.
e) Die Wahl des Direktors bedarf der Zustimmung des Reichskanzlers. Auch kann der
Reichskanzler jederzeit eine Besichtigung der Schulen durch einen Reichskommissar vor-
nehmen lassen.
2. Ein Schüler, der vorher eine höhere Schule in Deutschland besucht hat, darf nur auf
Grund eines Entlassungszeugnisses dieser Schule und nur in die Klasse oder Abteilung, für die er
nach dem Zeugnis reif ist, aufgenommen werden.
Der Wechsel darf dem Schüler hinsichtlich der ordnungsmäßigen Lehrdauer keinen Zeitgewinn
einbringen. Eine Ausnahme von dieser Regel ist nur dann zulässig, wenn Schüler infolge dienst-
licher Versetzung des Vaters oder aus ähnlichen wichtigen Gründen aus einem Gebiete des Deutschen
Reichs mit Osterbeginn des Schuljahrs in die bezeichneten Schulen, deren Schuljahr im Herbste
beginnt, übertreten; in derartigen Fällen darf ihnen, um sie vor unverschuldetem Zeitverluste zu be-
wahren, bei der aufnehmenden Schule auf Grund des Ergebnisses einer mit ihnen zu veranstaltenden
Prüfung die Einweisung in die nächst höhere Klasse zugebilligt werden.