78 II. Reichsgesetzgebung. Art. 3.
Keinem Bundesangehörigen darf um des Glaubensbekenntnisses willen
oder wegen fehlender Landes= oder Gemeindeangehörigkeit der Aufenthalt,
die Niederlassung, der Gewerbebetrieb oder der Erwerb von Grundeigentum
verweigert werden."“
Nach § 12 des Gesetzes ist die polizeiliche Ausweisung von Bundes-
angehörigen aus dem Orte ihres dauernden oder vorübergehenden Aufent-
haltes in anderen, als in den durch dieses Gesetz vorgesehenen Fällen
unzulässig. Solche Fälle sind: Betteln, Landstreichen und drohende Ver-
armung. Diese Fälle stehen aber zugleich der Aufnahme eines fremden
Staatsangehörigen zum Zwecke der Erwerbung der Staatsangehöbrigkeit ent-
gegen. § 3 Abs. 1 und 2 des Gesetzes bestimmt nämlich:
„Insoweit bestrafte Personen nach den Landesgesetzen Aufenthalts-
beschränkungen durch die Polizeibehörde unterworfen werden können,
behält es dabei sein Bewenden.
Solchen Personen, welche derartigen Aufenthaltsbeschränkungen in
einem Bundesstaate unterliegen, oder welche in einem Bundesstaate
innerhalb der letzten zwölf Monate wegen wiederholten Bettelns oder
wegen wiederholter Landstreicherei bestraft worden find, kann der Auf-
enthalt in jedem anderen Bundesstaate von der Landespolizeibehörde
verweigert werden."
Durch einen bei Laband J1 S. 145 A. 2 angeführten Plenarbeschluß
des Bundesrats v. 9. Juni 1894 haben sich zur Auslegung dieser Be-
stimmung die Verbündeten Regierungen dahin geeinigt, daß der Aufent-
halt in einem Bundesstaate denjenigen Personen nicht verweigert werden
darf, die in diesem Staate die Staatsangehörigkeit oder einen Unterstützungs-
wohnsitz (tHeimatsrechh besitzen und daß bei dem Vorhandensein dieser
Voraussetzungen die UÜbernahme eines Ausgewiesenen von den Behörden
eines Bundesstaates nicht verweigert werden darf. Hierin liegt allerdings
eine differentielle Behandlung der Bettler und Landstreicher fremder Bundes-
staaten mit den eigenen Staatsangehörigen gleicher Kategorie, da nur erstere
ausgewiesen werden können. Aber daraus ergibt sich noch kein Verstoß
gegen den im Art. 3 aufgestellten Grundsatz, weil mit der allgemeinen
Geltung dieses Grundsatzes und mit der Durchführung des im Art. 3 auf-
gestellten Programms dessen ausnahmsweise Modifizierung gegenüber den-
jenigen Personen vereinbar ist, deren Zurückdrängung im Interesse der für
alle Bundesstaaten geltenden Staatsraison liegt.
3. Gewerbebetrieb.
Der Grundsatz, daß der Angehörige eines jeden Bundesstaates in jedem
anderen Bundesstaate zum Gewerbebetriebe unter denselben Voraussetzungen.
zuzulassen ist, wie der Einheimische, hat seine Ausführung durch die Reichs-
gewerbeordnung gefunden, die im § 1 Abs. 1 bestimmt:
„Der Betrieb eines Gewerbes ist jedermann gestattet, soweit nicht durch
dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zu-
gelassen sind.“
Die Beschränkungen, die sowohl die Gewerbeordnung wie andere Reichs-
gesetze von dem Grundsatz der Gewerbefreiheit enthalten, beziehen sich nicht
und dürfen sich nicht beziehen auf die gleichartige Behandlung der An-
gehörigen verschiedener Bundesstaaten. Selbstverständlich muß sich aber in