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3. Die selbständigen Gutsbezirke sind vom Gemeindeverband
eximirt. Diejenigen öffentlichen Aufgaben, die überall erfüllt
werden müssen und die sonst den Gemeinden zukommen, mußten
also hier entweder einem staatlichen Organ übertragen werden,
oder dem Gutseigenthümer zufallen. Das Gesetz hat im Anschluß
an die geschichtliche Entwicklung den letzteren Weg einge—
schlagen. Der Gutseigenthümer tritt hinsichtlich dieser Aufgaben
an die Stelle einer Landgemeinde bezw. des Gemeinderaths und
Gemeindevorstands. Insbesondere hat der Eigenthümer als Guts-
vorsteher die obrigkeitlichen Befugnisse und Pflichten eines Ge-
meindevorstands auszuüben. Er ist aber ferner zu allen übrigen
Pflichten und Leistungen verbunden, welche sonst der Landgemeinde
im öffentlichen Interesse obliegen LGO. 8§ 84.
4. Diese Aufgaben behalten aber auch im selbständigen Guts-
bezirk ihren öffentlich-rechtlichen Charakter, wenn gleich der Eigen-
thümer die Kosten tragen muß. Deshalb ist auch die persönliche
Ausübung der Befugnisse des Gutsvorstehers von gewissen Vor-
aussetzungen abhängig gemacht und es kann die Aufstellung eines
Stellvertreters (durch den Eigenthümer, event. durch die Amtshaupt-
mannschaft) für diese öffentliche Thätigkeit notwendig werden § 86.
Eidliche Verpflichtung s. § 84.
Durch Gesetz können natürlich einzelne der Aufgaben dem
Gutsvorsteher abgenommen bezw. entzogen werden s. z. B. LGO.
§ 87. Namentlich ist die Ablösung der Polizeiverwaltung vom
Gutsvorsteheramt und die Uebertragung derselben auf eine Land-
oder Stadtgemeinde, selbst gegen den Willen des Gutseigenthümers,
möglich LGO. §§ 7, 8; St O. 1 § 8. Hier findet in soweit eine
Aufhebung der Exemtion statt. Das Gesetz spricht übrigens nur
von einer solchen Ablösung der Polizei hinsichtlich einzelner zu
einem selbständigen Gutsbezirk gehöriger Grundstücke, nicht hin-
sichtlich ganzer selbständiger Gutsbezirke. Der Gutseigenthümer
hat aber nach § 88 überhaupt das Recht, seine Obliegenheiten
in beliebigem Umfang (auch alle) dem Gemeindevorstand der be-
nachbarten Gemeinde unter Zustimmung des Gemeinderaths und
Gutsbezirk constituirt mit Genehmigung der drei Ministerien des Innern,
des Kriegs und der Finanzen. Man hielt dies also für gesetzlich zulässig.