Das Werk des Großen Kurfürsten. 215
seiner mächtigen Hand Sicherheit zu finden, seine Teilnehmer an der Fremdherr-
schaft in Deutschland, die Schweden, aufrief, ihm in den Rücken zu fallen. Das
aber war — wer möchte nicht staunen! — nur der Anlaß für den Kurfürsten
gewesen, die Schweden vollkommen zu schlagen. Mit dem Tage von Fehrbellin,
mit jenem unvergleichlichen Zuge nach Preußen war der Kriegsruhm der Schweden,
war die schlotternde Angst vor ihnen dahin. Aber Frankreich hatte seine Pläne
nur zu wohl erreicht. Ohne den Kurfürsten hatten ihm weder der Kaiser, noch
Holland, weder das Reich, noch Spanien Widerstand leisten können. Doch statt
nun den mit Sicherheit zu hoffenden heißen Ritt vom Haff zum Rhein, der
Rettung bringen konnte, auch nur zu wünschen, hatte man sich im schimpflichsten
Frieden vor Frankreich gebeugt, die wohl erworbenen Lorbeeren dem Kurfürsten
vom Haupte gerissen. Man hatte Bedingungen zugestanden, deren wahren Inhalt
das deutsche Reich wie Holland und Spanien erst durch Ludwigs empörende Ver-
letzungen alles Völkerrechtes kennen lernten. Mit diesem Frieden aber hatte man
naturgemäß auch den Kurfürsten zur Unterwerfung gezwungen. Ungeachtet aller
seiner Erbietungen und allen Verträgen zum Trotz hatte man ihn allein der
Wut Ludwigs ausgesetzt und konnte den Treubruch nicht anders als durch den
damals nicht einmal zutreffenden Himveis auf die Uebermacht Ludwigs recht-
fertigen. Mit tief verwundetem Gemüt mußte der Kurfürst wieder das mit vielem
Blut getränkte deutsche Land dahingeben. Er mußte das französische Joch auf
seine Schultern nehmen und nur bestrebt sein, dem vorzeitigen Drängen und Toben
der alten Verbündeten gegenüber, die nunmehr leichtfertig und ohne genügende
Vorbereitung das Schwert ziehen wollten, durch Nachgiebigkeit und Verträge
Ludwig von weiteren Gewaltthaten zurückzuhalten. Und während die Kriegspartei
den König durch Krieg und Kriegsgeschrei zu größerem, dreisteren Uebermut reizte,
war es die, wie immer nachgebende und beschwichtigende, doch selbstbewußte
Haltung des Kurfürsten gewesen, vor der Ludwig Halt gemacht. Es war von
unbeschreiblichem Segen für das Reich, daß Frankreich von einem Einfall in
Deutschland zurückgehalten wurde, als die Türken mit gewaltiger Macht bis Wien
vordrangen. Doch wie Ludwig selbst es hatte voraussehen müssen, war Friedrich
Wilhelm der erste, der, sobald es die wahren Machtverhältnisse zu gestatten
schienen, bemüht war, das fremde Joch abzuschütteln. Ja, als sich wider alles
Erwarten ergab, daß das katholische Interesse, welches Frankreich mit dem Kaiser
gemeinsam hatte, im Augenblick stärker als der dynastische Gegensatz zwischen
beiden war, arbeitete der Kurfürst mit hingebendem Eifer an der von seinem
Neffen ins Auge gefaßten Befreiung Englands, um in dem Bunde der evan-
gelischen Staaten das Gleichgewicht gegen Frankreich zu finden. —
Für dieses Unternehmen war nun auch der Kurprinz von seinem Vater ge-
wonnen, und wenn in den letzten Jahren eine Spannung zwischen beiden ge-
herrscht hatte, die in der sogenannten Flucht des Kurprinzen nach Kassel ihren
schärfsten Ausdruck gefunden hatte, so war es zunächst von größter Wichtigkeit,
ob die angebliche Benachteiligung des Kurerben, worin eben der Grund für jene
Spannung gelegen, wirklich in dem Testament des Vaters festgesetzt war.
Am 17. November 1688 ward es eröffnet. Es ergab die Aufrechthaltung der
Einheit des Landes, den ungeschmälerten Uebergang der Souveränetät auf den Kur-
erben, während für die jüngeren Söhne Paragien d. h. auf einen mit adligen Rechten
versehenen Grundbesitz gegründete Apanagen ausgeworfen waren. Doch war dies unter