274 Die auswärtigen Angelegenheiten. — Randverfügungen.
herauszuziehen, zu wege bringen können". Diese unerreichbare Fähigkeit des
einzelnen Mannes mußte der König durch ein System ersetzen. Eingehende Er-
örterungen pflog er mit Ilgen mündlich auf dessen bei Berlin gelegenem Gute
Britz oder durch brieflichen Verkehr. Ilgen hielt nur de König selbst für fähig,
die auswärtigen Angelegenheiten zu leiten. „Ich will Eure Königl. Mt. nicht
flattirn“ — das hätte Friedrich Wilhelm nie deltten und der dem Grabe zu-
siechende alte Ilgen hatte keinen Grund dazu — „aaber dieses mus ich Ihro doch
sagen, daß mein grössestes Vertrauen hiebey auff Dero Theuerste Persohn gerichtet
ist, Gott hat Eure Königl. Mt. mit einem Dero Alter weit übersteigenden Verstand
und großem Gedächtnis begabet.“ Unglaubliche Mühe und Arbeit habe der König
angewandt, sich in den auswärtigen und innerlichen Affairen zu informieren,
allemal, selbst in den allerschwersten Staatsaffairen habe er die beste und raison-
nabelste Parkei genommen, und ihm sei von Gott das Talent verliehen, das fort
und das faible der einzelnen Beamten schnell zu erkennen.
Doch erst einen Monat nach Ilgens Tod wurde die neue Instruktion fertig,
wonach zwei Minister — Borcke und Cuyphausen (an dessen Stelle 1730 Grumb-
klows Schwiegersohn Heinrich von Podewils trat) mit zwei expedierenden Sekre-
tären, d. h. vortragenden Räten, Canngießer und Tulemeyer, die auswärtigen
Angelegenheiten zu bearbeiten hatten. Neben ihnen stand jedoch noch Ludwig
Otto Edler von Plotho für die so unendlich verwickelten Reichsangelegenheiten,
zwar als Minister, aber ohne dem Departement selbst anzugehören, dessen Wirkungs-
kreis auch demnächst dem Justizminister überwiesen wurde. Besonderen Wert
legte der König auf die Ausbildung jüngerer Leute, auf die Erziehung frischer
Kräfte, die beim Abgang der ausscheidenden Räte geeignet wären, deren Stellung
zu versehen. Auch Ilgen führt dies als notwendig an, doch kam es, obwohl der
König schon damals die Geldmittel zu bewilligen bereit war, erst 1739 zu einer
entsprechenden Einrichtung, indem den Gesandten an verschiedenen Höfen Legations-
setret ziur Einführung und Schulung in ihrem Amt zugewiesen wurden.
Geschäftsvenl#r zwischen dem König und den Ministern der aus-
wärtigen Angelegenheiten sollte wohl ursprünglich ein mündlicher sein, wie denn
der Umstand, daß eine Person als Mitglied des militärischen Hofstaates stets in der
Nähe des Königs war, auf die Ernennung Borckes bestimmend eingewirkt haben soll.
Außerdem hatte Ilgen dem Könige die „Methode“ empfohlen, „mit wenigen ad
marginem gesetzten Worten“ über die ihm eingereichten Gutachten zu entscheiden,
und die überaus zahlreichen, in ihrer oft drastischen, ja sarkastischen Kürze be-
rühmt gewordenen eigenhändigen Randverfügungen des Königs beweisen, wie
ihm diese Art des Geschäftsbeiriebes gefiel. Doch lag es in der Natur der Sache,
daß ein weiterer schristlicher Verkehr sich nicht völlig vermeiden ließ, und so be-
diente sich der König erst des Geheimen Finanzrates Boden, später Samuel von
Marschalls als Kabinettssekretäre. Beide Männer wurden später Minister, ihr
Amt aber entwickelte sich weiter zum Kabinett des Königs.
Immer haben selbst die Tadler des Königs seine eigenste Schöpfung, das
preußische Heer, als etwas Außerordentliches gepriesen. Die ungeheuere Ver-
mehrung des Heeres, das etwa 80 000 Mann beim Tode Friedrich Wilhelms
zählte, wie seine Schlagfertigkeit waren zu deutliche Zeichen der preußischen Macht,
ihre Schöpfung zu sichtbar das Werk des Königs, als daß selbst die Neider und
Gegner über sie hätten hinwegsehen können. Aber auch hier sand man doch noch