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aber auch im Einzelnen zu beurtheilen, in wie weit, insbesondere in Bezug
auf Zeitungen und Flugschriften, Aeußerungen über
1. die Verfassung,
2. die Gesetgebung,
3. die Verwaltung
des Staats vom Censor gestattet werden können, sind diese Gegenstände abge-
sondert in Betracht zu ziehen.
Zu 1. In Beziehung auf die Verfassung dürfen keine Aeußerungen
gedruckt werden, welche das monarchische Prinzip des Preußischen Staats oder
die den bestehenden ständischen Institutionen desselben gesetzlich vorgezeichneten
Grundlagen angreifen oder zur Unzufriedenheit mit dem monarchischen Prinzip
oder mit den gedachten Institutionen auszureizen suchen.
Zu 2. Was die Gesetzgebung anbetrifft, so sind in Druckschriften
Urtheile oder Aeußerungen sowohl über schon bestchende gesetzliche Vorschriften,
als über Entwürfe zu dergleichen nur dann zuldssig, wenn sie in bescheidener,
anständiger Form und wohlmeinender Absiche erfolgen; seindselige und gehässige,
oder in unanständigem, wegwersenden Tone abgefaßte Beurtheilungen solcher
Vorschriften und Entwürfe darf der Censor nicht gestatten.
Zu 3. Auch die Maaßregeln der Verwaltung und die Amtshand=
lungen ihrer Organe in zum Druck bestimmten Schriften zu würdigen und Ver-
besserungen in den einzelnen Verwaltungszweigen anzudeuten oder vorzuschlagen,
ist erlaubt, sofern dies in bescheidener, anständiger Form, und in wohlmeinen-
dem Sinne geschiehet. Urtheile über die Amtshandlungen einzelner Beamten und
Behörden müssen sich jedoch von jeder persönlichen Kränkung derselben fern
Heen und auf die Wurdigung bestimmter klar dargelegter Thatsachen be-
chränken.
Nach WVorstehendem hat also der Censor bei der Frage, ob er Aeußerungen
über den Staat, seine Einrichtungen, seine Gesetzgebung, seine Verwaltung oder
deren Organe zum Druck verstatten dürfe? nicht blos auf den Inhalt, son-
dern auch auf Ton und Tendenz der Schriften zu achten. In leidenschaftlicher
oder unanständiger Sprache geschriebene Aufsctze und Stellen sind unzulässig.
Einc in wohlwollender Tendenz und in anständiger Form ausgesprochene Kritik,
welche belehren, rathen und dadurch nützen und verbessern will, soll nicht gehin-
dert werden. Nicht zu dulden sind dagegen Verspottung oder Verunglimpfung
gesetzlich bestehender Einrichtungen, oder anmaaßender, geringschätzender Tadel der-
selben. Ebenso sind auch solche Artikel nicht zum Druck zu verstatten, welche
dahin zielen, Zwesspat zwischen den im Lande vorhandenen Ständen und Kon-
sessionen zu säen, und dieselben unter sich oder gegen die Regierung aufzuregen.
In allen vorgedachten Beziehungen gile es gleich, ob die feindselige Ten-
denz direkt kund gegeben, oder hinter der Anführung von angeblichen Thatsachen
oder von Gerüchten versteckt wird. Auch macht es keinen Unterschied, ob Aeußc-
(Kr. 2..) run-