Full text: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten. 1892. (83)

— 183 — 
g. 89. 
Wo ein kollegialischer Gemeindevorstand eingeführt ist (F. 74 Absatz 6), 
können demselben die in den S§. 9, 51, 71, 88 Nr. 2 bis 4 und 8, 119 und 
120 erwähnten Befugnisse durch das Ortsstatut übertragen werden. 
Die Beschlüsse des Gemeindevorstandes werden nach Stimmenmehrheit und 
unter Theilnahme von mindestens drei Mitgliedern gefaßt. Bei Stimmengleichheit 
entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Den Vorsitz führt der Gemeindevor- 
steher. Ueber dessen Vertretung in Behinderungsfällen hat das Ortsstatut Be- 
stimmungen zu treffen. 
Betrifft der Gegenstand der Verhandlung einzelne Mitglieder des Gemeinde- 
vorstandes oder deren Verwandte und Verschwägerte in auf= oder absteigender 
Linie oder bis zum dritten Grade der Seitenlinie, so dürfen dieselben an der 
Berathung und Entscheidung nicht theilnehmen. Wird hierdurch der Gemeinde- 
vorstand beschlußunfähig, so entscheidet der Gemeindevorsteher allein. 
Tritt die Beschlußunfähigkeit aus anderen Gründen ein, so hat der Ge- 
meindevorsteher eine zweite Sitzung anzuberaumen; ergiebt sich auch in dieser 
keine Beschlußfähigkeit, so hat der Gemeindevorsteher allein hinsichtlich der auf 
der Tagesordnung stehenden Gegenstände Anordnung zu treffen. 
. 90. 
Der Gemeindevorsteher ist, sofern er nicht zugleich selbst das Amtsvor- 
steheramt bekleidet, das Organ des Amtsvorstehers für die Polizeiverwaltung. 
(Absatz 2 fällt fortl. 
Der Gemeindevorsteher hat vermöge dessen das Recht und die Pflicht, da, 
wo die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit ein sofortiges 
polizeiliches Einschreiten nothwendig macht, das dazu Erforderliche vorläufig an- 
zuordnen und ausführen zu lassen. 
C. 91. 
Der Gemeindevorsteher hat insbesondere das Recht und die Pflicht: 
1) der vorläufigen Festnahme und Verwahrung einer Person nach den 
Vorschriften des §F. 127 der Strafprozeßordnung für das Deutsche 
Reich vom 1. Februar 1877 (Reichs-Gesetzbl. S. 258) und des . 6 
des Gesetzes zum Schuthe der persönlichen Freiheit vom 12. Februar 1850 
(Gesetz-Samml. S. 45), 
2) die unter Polizeiaufsicht stehenden Personen zu beaufsichtigen, 
3) die ihm von dem Amtsvorsteher, der Staats= oder Amtsanwaltschaft 
aufgetragenen polizeilichen Maßregeln auszuführen und Verhandlungen 
aufzunehmen, 
4) die vorgeschriebenen Meldungen über neu anziehende Personen entgegen- 
zunehmen. 
(r. 0549.)
	        
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