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Artikel 1.
Als Armenunterstützung im Sinne des Art. 4 Ziff. 3 des Landtagswahlgesetzes vom
9. April 1906 und des Art. 13/11 Abs. II Buchst. a beider Gemeindeordnungen sind
nicht anzusehen:
1. die Krankenunterstützung;
2. die einem Angehörigen wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen gewährte An-
staltspflege;
3. Unterstützungen zum Zwecke der Jugendfürsorge, der Erziehung oder der Aus-
bildung für einen Beruf; 6
4. sonstige Unterstützungen, wenn sie nur in der Form vereinzelter Leistungen zur
Hebung einer augenblicklichen Notlage bestimmt sind;
5. Unterstützungen, die erstattet sind.
Artikel 2.
1 Wird das Bürgerrecht einem Bewerber verliehen, der innerhalb der letzten zwei Jahre
vor der Bewerbung eine unter Art. 1 fallende, im Sinne des Armengesetzes als öffentliche
Armenunterstützung zu erachtende Unterstützung nachgesucht oder erhalten hat, so ist die
Gemeindeverwaltung befugt zu beschließen, daß mit dem Bürgerrechte nicht auch das Heimatrecht
erworben werde. «
II Die Nichtausübung dieser Befugnis bedarf in Gemeinden mit städtischer Verfassung
der Zustimmung der Gemeindebevollmächtigten.
Artikel 3.
Soweit die in Art. 4 Ziff. 3 des Landtagswahlgesetzes vom 9. April 1906 und
Art. 13/11 Abs. II Buchst. a beider Gemeindeordnungen bestimmten Fristen in die Zeit vor
dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zurückreichen, findet die Vorschrift des Art. 1 auch auf die
während dieser Fristen bezogenen oder nachgesuchten Unterstützungen rückwirkend Anwendung.-
Gegeben zu München, den 4. April 1910.
Luitpold,
Prinz von SLayern,
des Königreichs Bayern Verweser.
Dr. FKrhr. v. Podewils. Dr. v. Miltner. Dr. v. Wehner. v. Frauendorfer. v. Pfaff.
Frhr. v. Horn. v. PBrettreich.
Auf Allerhöchsten Befehl:
Der Ministerialrat
im K. Staatsministerium des Innern:
Knözinger.