Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1887. (53)

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bieten, richtig, beziehungsweise mit Verständniß des Versbaues zu lesen, fließend zu 
übersetzen, auch über Formen, Satzbau und Wortbedeutung genaue Auskunft zu geben. 
2. Der Kandidat, welcher die Befähigung für den lateinischen Unterricht in den 
mittleren Klassen erwerben will, muß außerdem Gefühl für die Unterschiede zwischen 
deutscher und lateinischer Ausdrucksweise und die Fähigkeit erlangt haben, Aufgaben aus 
dem Gebiete des Alterthums in freier Darstellung mit einiger Gewandtheit zu behandeln. 
Die Lektüre muß jedenfalls Cäsar, Sallust, erhebliche Partien aus Livius, von Cicero 
außer den wichtigeren Reden auch einige seiner übrigen Schriften, von Vergil mindestens 
die Aeneis, die bedeutendsten Oden und Satiren des Horaz, Elegien des Tibull und 
Ovid umfassen. 
Der Kandidat, welcher die Befähigung für den griechischen Unterricht in den 
mittleren Klassen erwerben will, muß außer der allgemeinen Elementargrammatik 
sichere Kenntniß der homerischen Formenlehre und der Unterschiede zwischen ionischem 
und attischem Dialekt besitzen. Bei schriftlicher Uebertragung eines leichteren deutschen 
oder lateinischen Textes dürfen ihm keine groben Verstöße begegnen. Die Lektüre muß 
Homer und Herodot, von Xenophon die Anabasis und größere Stücke aus den Memo— 
rabilien und der Hellenika, ferner Reden des Lysias, die kleineren Staatsreden des De— 
mosthenes, von Platon wenigstens die Apologie und Kriton begreifen. 
Mit gelesenen Schriftstellern, sowohl im Lateinischen, als auch im Griechi— 
schen, muß der Kandidat so vertraut sein, daß er über Inhalt, Anlage und Charakter 
derselben Bescheid zu geben und ausgewählte, nicht zu schwierige Stellen daraus klar und 
genau zu übersetzen, die stilistischen Eigenthümlichkeiten hervorzuheben, synonyme Aus- 
drücke zu unterscheiden und zur sachlichen Erklärung das Wesentliche beizubringen ver— 
mag. Er muß mit den Gesetzen des daktylischen Hexameters und Pentameters wohl be— 
kannt, über Leben und Schriften der von ihm gelesenen Autoren näher unterrichtet, 
außerdem aber in der allgemeinen Geschichte der betreffenden Litteratur, in den Alter— 
thümern und in der Mythologie soweit orientirt und mit den besten wissenschaftlichen 
Hilfsmitteln so bekannt sein, daß er sie zur Vorbereitung mit Nutzen verwenden kann. 
3. Zur Befähigung für den lateinischen und den griechischen Unterricht in den 
oberen Klassen wird erfordert, daß der Kandidat sich eine umfassendere und zugleich 
tiefere philologische Bildung erworben habe, welche auf wirklicher Belesenheit in den 
Quellen und Vertrautheit mit den Schulschriftstellern beruht, daß er insbesondere in die 
strenge Methode philologischer Kritik und Exegese eingeführt und in selbständiger Hand— 
habung dieser Fertigkeiten einigermaßen geübt sei. Von der lateinischen, wie von der 
griechischen Sprache und ihrer Geschichte muß er eine wissenschaftlich begründete Einsicht 
erlangt haben, wogegen linguistische Kenntnisse über den Kreis dieser Sprachen hinaus 
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