Object: Die Reichsverfassungsurkunde vom 16. April 1871.

8 6. Reichstag. 33 
bürgerlichen Rechte durch Strafurtheil entzogen ist. — Wählbar zum 
Abgeordneten ist jeder Deutsche, welcher das 25. Lebensjahr zurückge- 
legt und einem Bundesstaate seit mindestens einem Jahre angehört hat, 
soferne er nicht nach Vorstehendem vom Wählen ausgeschlossen ist. 
Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritte in den Reichstag. 
Niemand kann zugleich Mitglied des Bundesraths und des Reichstags 
sein (Art. 9 der Verf.). 
In der Regel, d. h. wenn nicht in Folge der Auflösung des 
Reichstags eine frühere Wahl nöthig ist, wird alle 3 Jahre neu ge- 
wählt (Art. 24 der Verf.). 
Die näheren Bestimmungen über die Vornahme der Wahlen 
finden sich in dem bereits erwähnten — nunmehr für Gesammtdeutsch= 
land geltenden Wahlgesetze für den Reichstag des norddeutschen Bundes 
vom 31. Mai 1869 und in dem hiezu vom Bundesrathe erlassenen 
Wahlreglement vom 28. Mai 1870 (Bayr. Gesetzbl. 187 S. 263 ff.). 
Zum Schutze des Reichstags sind im deutschen Strafgesebbuche 
besondere Bestimmungen getroffen ef. § 105 u. 106. 
II. Der Reichslag lann nur zusammentreten, wenn er vom Kaiser 
berufen ist. Diese Berufung muß aber im Hinblick auf Art. 13 
der Verfassung und auf die Bestimmungen über das Reichsbudget 
und die Rechnungslegung alle Jahre mindestens Einmal erfolgen. 
Die Verhandlungen des Reichstags haben erst nach dessen Er- 
öffnung, welche dem Kaiser zusteht, zu beginnen. Der Kaiser ist be- 
rechtigt, den Reichstag zu vertagen d. h. dessen Sitzungen zeitweise 
unter gleichzeitiger Bestimmung des Termins für deren Wiederbeginn zu 
unterbrechen; die Vertagung darf aber ohne Zustimmung des 
Reichstags nicht länger als 30 Tage dauern und während derselben 
Session nicht wiederholt werden. 
Die gleichsfalls dem Kaiser zustehende Schließung des Reichs- 
tags erfolgt, wenn die Zeit seiner Wirksamkeit abgelaufen ist, oder 
seine Geschäfte — wenigstens im Wesentlichen — erledigt sind. 
Nach der Schließung ist der Reichstag (bis zu seiner Wiederbe- 
rufung) nicht mehr berechtigt, Sitzungen zu halten und sich als Kolle- 
gium zu geriren 2c. 
Wesenklich verschieden von der Schließung des Reichslags ist dessen 
Auflösung, welche während der Legislaturperiode nur auf Grund 
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