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Dem Königlichen Kommissar steht es zu, wegen der vorzulegenden Schriftwerke
und durchzunehmenden Stoffe Anordnungen zu treffen, auch die Prüfung in einzelnen
Fächern selbst zu übernehmen.
Die Befreiung einer Schülerin von der ganzen mündlichen Prüfung kann nur
durch einen Beschluß des Ministeriums erfolgen. Dahingehende Anträge der Prüfungs-
kommission werden aber nur dann Berücksichtigung finden, wenn dringende Umstände,
insbesondere Gesundheitsrücksichten, für die Gewährung sprechen und dem Prüflinge
die unzweifelhafte Reife für alle Fächer bezeugt werden kann.
Dagegen ist es zulässig, daß Schülerinnen für einzelne Fächer, in denen sie während
des Halbjahres mindestens Gutes geleistet haben, durch den Königlichen Kommissar
von der Teilnahme an der mündlichen Prüfung befreit werden, dafern dies von
ihm im Interesse des Prüfungsgeschäfts für angemessen erachtet wird.
Der Königliche Kommissar ist befugt, im Falle vorübergehender Behinderung sich
für einzelne Teile der Prüfung vom Rektor der Anstalt vertreten zu lassen.
§ 75. Unmittelbar vor dem Beginne der schriftlichen Reifeprüfung werden in
einer Beratung der Prüfungskommission alle Einzelzensuren für das letzte Halbjahr
und die vorläufige Hauptzensur für das Betragen amtlich eingetragen. Auf Grund
dieser und der in der Reifeprüfung selbst erteilten Zensuren hat die Kommission un-
mittelbar nach Schluß der Prüfung zunächst alle Fachzensuren und dann die Haupt-
zensuren über Leistungen und Betragen für sämtliche Geprüfte zu bestimmen.
Die wissenschaftlichen Hauptzensuren sind nach den drei Graden: sehr gut (1),
gut (II) und genügend (III) mit den Zwischenstufen Th, II a, II b und III a zu er-
teilen. Dasselbe gilt von den Fachzensuren, doch ist bei einer von ihnen auch ein „kaum
genügend“ (III b) sowie unter der in Absatz 4 angegebenen Bedingung ein „un-
genügend" (IV) oder zweimal die Zensur IIIb zulässig. Durch die Sittenzensur ist das
Verhalten entweder als völlig befriedigend (1) oder als befriedigend (II) oder als
nicht immer befriedigend (III) zu bezeichnen; die für die wissenschaftliche Hauptzensur
nachgelassenen Zwischenstufen (I , II a, IIb, III a) können auch hierbei zur An-
wendung kommen.
Bei allen Prüflingen sind zu zensieren: Religionslehre, Deutsch, Lateinisch,
Französisch, Geschichte, Erdkunde, Naturgeschichte und Chemie (als ein Fach zu be-
handeln), Physik, Mathematik, außerdem in der realgymnasialen Abteilung Englisch,
in der gymnasialen Griechisch.
Ungenügende Leistungen (IV) in einem einzelnen Fache oder kaum genügende
Leistungen (IIIU) in zwei Fächern können durch besonders tüchtige (I, Lb, II a) in
1910. 108
Zensur—
erteilung.