Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

Fünftes und Schlusskapitel. 249 
die betreffenden Einzelstaaten, welche ihr Mass und ihre 
Rechtfertigung nicht in der Verfassungsurkunde, nicht in den 
verfassungsmässigen Rechten und Ermächtigungen des Reiches 
finden. Sie gelten vielmehr auch in Widerspruch mit diesen 
kraft ihrer gesetzlichen Anerkennung, die gleichzeitig und 
gleichförmig mit der Annahme der Verfassung erfolgte und 
durch das Reichsgesetz vom 16. April 1871 bestätigt wurde. 
Es sind dies das Recht Würtembergs auf Einhaltung der ver- 
tragsmässigen Sonderbestimmungen seiner Militärkonventibn, 
die Widerspruchsrechte desselben gegen unbeschränkte Aus- 
dehnung des Einpfennigtarifs und der postalischen Vorrechte 
auf dieses Land, das Widerspruchsrecht Baierns gegen die 
Ausdehnung eines etwaigen Immobiliar-Versicherungsgesetzes 
auf sein Gebiet und die Vorrechte dieses Staates auf Vertretung 
der Reichsgesandten und des Vorsitzenden im Bundesrathe. 
Wir mögen die hieraus entspringenden Rechte einzelner 
Bundesstaaten als durch Vertrag begründete, wohlerworbene 
Individualrechte im Gebiete des deutschen Verfassungsrechtes 
bezeichnen, welche der Herrschaft der Gesetzgebung und selbst 
der Verfassungsänderung des Reiches durch ihre vertrags- 
mässige Anerkennung entzogen sind. 
Es sind anomale Erscheinungen — vertragsmässige Ele- 
mente, welche ihrer Entstehung und ihrem Umfange nach 
schlechthin ungeeignet sind, den rechtlichen Grundcharakter 
des Reiches zu alteriren oder die aus demselben entwickelten 
Rechtssätze als unrichtig nachzuweisen. 
II. Wir gelaugen zu einer weitern Folgerung. 
Nach den Lehren des Völkerrechtes ist jeder suveräne 
Staat Interpret und Richter über das Mass der Rechte und 
Pflichten, die ihm aus der völkerrechtlichen Gemeinschaft 
schlechthin oder aus einem völkerrechtlichen Rechtsgeschäfte 
im Besondern erwachsen. 
Niemand ist in der völkerrechtlichen Gemeinschaft be- 
rufen, den Streit der Parteien zu schlichten, aber auch Nie- 
mand verpflichtet, sich des bedrängten Rechtes anzunehmen.
	        
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