Full text: Studien zum Deutschen Staatsrechte. Erster Band. Die vertragsmäßigen Elemente der Deutschen Reichsverfassung. (1)

26 Erstes Kapitel. 
ihre Gewalten aus derselben Quelle, aus der Suveränetät des 
Volkes jedes Einzelstaates ab. 
Die Gehorsamspflicht der Beamten und Bürger der Union 
gegenüber der Unionsverfassung und den in ihrer Befolgung 
ergehenden Gesetzen und Amtshandlungen ist allerdings die 
nämliche, wie die der Bürger und Beamten des Einzelstaates 
gegen dessen Verfassung, Gesetze und Amtshandlungen. 
Allein beide leiten ihre Verpflichtung zum Gehorsam nur aus 
der konstituirenden Gewalt des Volkes des Einzelstaates ab: 
und deshalb ist die Unionsverfassung nicht Verfassung der 
Gesammtheit und darum der Einzelstaaten, sondern sie ist 
das übereinstimmende Partikulargesetz aller Einzelstaaten 
und darum das Gesetz des Ganzen. 
Verschieden hiervon ist die Frage nach der rechtsverbind- 
lichen Kraft der Unionsverfassung gegenüber dem Einzelstaat 
in seiner suveränen Eigenschaft, dessen Träger das suveräne 
Einzelvolk ist. Dieses hat die ihm ursprünglich zustehenden 
Gewalten in gleicher Weise an die Central- und Partikular- 
regierung zur Ausübung delegirt — an die erstere nicht 
kraft einer ihm tibergeordneten Autorität oder unter Kon- 
stituirung einer solchen, sondern in Kraft und unter einem 
gegenseitig bindenden Vertrage mit den andern Staaten. Die 
suvefänen Völker der Einzelstaaten stehn in einem völker- 
rechtlichen Vertragsverhältnisse, wonach sie eine gemeinsame 
Delegation ihrer Regierungsgewalten zu gemeinschaftlicher 
Ausübung vorgenommen haben und sie sind vertragsmässig 
verpflichtet, dieselbe fortdauern zu lassen. Sie haben der 
Unionsverfassung und der Unionsregierung gegenüber die- 
jenige Rechtsstellung, welche jedem suveränen Staate in 
einem völkerrechtlichen Verhältnisse zusteht. Die hieraus 
fliessenden Rechte des Einzelstaates aber sind: 
Das Recht der eigenen Auslegung der vertragsmässigen 
Verpflichtungen, insbesondere über Sinn und Umfang der 
der Unionsregierung delegirten Gewalten; 
das Recht im Streitfalle zu verlangen, dass eine authen-
	        
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