Full text: Der neue Kurs.

am runden Tisch im Weihenstephan versammelten. Den ruhen- 
den Pol in der Erscheinungen Flucht bildete der Landrat des Kreises 
Teltow, Stubenrauch, ein Mann von starkem Willen, praktischem 
Blick, strenger, von bureaukratischen Fesseln freier Sachlichkeit. Er 
war schon als Leutnant im ersten Garderegiment zu Fuß dem 
Prinzen Wilhelm gut bekannt und durch Verbindungen mit dem 
Hofe und in den oberen Regionen über vieles unterrichtet. Die 
Ministerien waren unter anderen durch den Geheimrat v. d. Hagen, 
späteren Ministerialdirektor im Handelsministerium, die Kunst durch 
Franz Schwechten, den Kirchenbauer, das Militär durch den Haupt- 
mann im Großen Generalstabe, späteren Eisenbahnminister Budde, 
an der Tafelrunde vertreten. Unter den gelegentlichen Gästen war 
der Major v. Löwenfeld, später Generaladjutant und Komman- 
dierender des Gardekorps, und meine erste persönliche Bekanntschaft 
mit dem Reichskanzler a. D. v. Bethmann Hollweg rührt von 
einer Gastrolle her, die der damalige Landrat von Oberbarnim am 
runden Tische gab. 
Die politischen Unterhaltungen, die hier geführt wurden, be- 
wegten sich alle auf dem Grunde einer warmen Verehrung für 
den Fürsten Bismarck. Diese hatte wie in den 99 Tagen der Re- 
gierung des Kaisers Friedrich auch nach dem Kanzlerwechsel im März 
1890 Stich gehalten. Aber mit Stubenrauch gehörte ich zu denen, 
die wußten oder erkannten, daß eine vollständige Aussöhnung des 
alten Kanzlers mit dem Kaiser und seine Rückkehr zu den amt- 
lichen Geschäften unmöglich war und daß also ohne ihn weiter- 
regiert werden mußte. Daraus ergab sich der Wunsch und die 
Forderung, den in der Nation entstandenen tiefen Riß nicht zu 
erweitern und bei der Uberleitung des Staatsschiffes in den neuen 
Kurs die persönlichen Gegensätze möglichst zurücktreten zu lassen. 
Wer die Zeit miterlebt hat, wird wissen, wie ungemein schwer 
das war. Leidenschaftliche Parteinahme in Reden und Artikeln, 
Mißverständnisse und Mißgriffe, Unwahrheiten, die geglaubt wur- 
den, und Wahrheiten, die man nicht hören wollte, Streitigkeiten 
um Vergangenes mehr noch als um das Werdende verwirrten den 
Lauf der öffentlichen Dinge.
	        
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