des Kaisers unterrichtet und nicht rechtzeitig nach Berlin gerufen
habe. Es steht jedoch fest, daß Herr v. Bötticher in dieser Be-
ziehung nichts versäumt und sogar die Hilfe der Fürstin in An-
spruch genommen hatte, um den Fürsten von der Entfremdung
des Kaisers zu überzeugen und sein Eingreifen in Berlin herbei-
zuführen. Allerdings bestand eine sachliche Meinungsverschieden-
heit zwischen dem Fürsten Bismarck und Herrn v. Bötticher. Sie
betraf die vom Kaiser und der Mehrheit des Reichstags gewünschte
gesetzliche Einschränkung der Kinder-, Frauen= und Sonntagsarbeit.
Herr v. Bötticher bemühte sich bergeblich, den Kanzler für diese
Wünsche zu gewinnen, nicht allein um der Sache willen, sondern
auch, um es nicht zum Bruch zwischen Kaiser und Kanzler kom-
men zu lassen. In späteren Jahren hat der Fürst den Vorwurf
gegen Herrn v. Bötticher dahin eingeschränkt, daß er im Staats-
ministerium und gegenüber dem Kaiser den Standpunkt des Kanzlers
nicht pflichtmäßig vertreten hätte.
Eine Stelle eines Berliner Briefes an den Pester Lloyd (7. Mai
1890), der sich gegen das von manchen Blättern unter der stehen-
den Spitzmarke: „Vom Kriegsschauplatz in Friedrichsruh“ ohne
Verständnis für das tragische Geschick großer Männer vollführte
Treiben richtete, mag zeigen, wie schwer es Fürst Bismarck dank-
baren Bewunderern seiner Taten machte, die Ausbrüche seines ge-
waltigen Grolls beifällig aufzunehmen: „Nach den Hamburger
Nachrichten soll dem Kaiser früher zu Ohren gebracht worden sein,
daß Fürst Bismarck infolge von Morphiumsucht an Gedanken-
verwirrung leide; des ferneren sei ein Doppelspiel getrieben worden,
indem man ihm gesagt, der Kaiser unterhandle bereits wegen der
Nachfolge und indem man andererseits in dem Kaiser den Glauben
erweckt habe, Fürst Bismarck wolle unter allen Umständen gehen.
Daß letzterer an solche Intrigen als Ursachen seines Sturzes glaubt,
war längst kein Geheimnis mehr, wenn es auch von allen großen
und angesehenen Blättern ignoriert wurde. Allerdings bestanden
während des letzten Winters Gerüchte unbekannten Ursprungs, nach
denen Fürst Bismarck in der letzten Zeit vergeßlich geworden sei.
Allein allgemein war man in unterrichteten Kreisen auch der Mei-
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