Full text: Der neue Kurs.

III. Der abgerissene Draht nach Rußland. 
Solange Graf Caprivi noch im Kanzleramt war, blieb die 
Species facti der Wiener Anklage des Fürsten Bismarck wegen 
Schwächung des deutschen Einflusses auf die russische Politik der 
Offentlichkeit verborgen. Zwar hatten die Hamburger Nachrichten 
schon am 3. Juni 1891 gerügt, daß von den beiden Strängen, 
die Deutschland früher auf seinem Bogen hatte, der russische kurz- 
weg durchgeschnitten worden sei, und weiter am 24. Januar 1892 
eine noch deutlichere Anspielung auf „bestimmte, jetzt nicht mehr 
vorhandene Abmachungen“ gemacht. Aber die in= und auslän- 
dische Presse hatte noch viel zuviel mit dem persönlichen Gegensatze 
zwischen dem jungen Kaiser und dem alten gestürzten Kanzler zu 
tun und beachtete den Hinweis auf eine von dem neuen Kanzler 
vorgenommene Anderung in dem Verhältnis zu Rußland nicht. 
Das Wiener Wort Bismarcks vom abgerissenen Draht galt nur 
als Urteil über das allgemeine Verhalten seines Nachfolgers gegen- 
über Rußland. Die wenigen, die wissen mußten, daß ihm eine 
bestimmte diplomatische Handlung zugrundelag, rührten sich natür- 
lich nicht. Bei Beratung der Militärvorlage (23. November 1892) 
antwortete Caprivi auf den Vorwurf, daß die Regierung den Draht 
zerrissen habe, nur mit der kurzen Bemerkung: Wir haben alle 
Sorgfalt darauf verwendet, diesen Draht zu erhalten, wir wün- 
schen nur nicht, daß er uns den Strom aus denjenigen Leitungen 
nehme, die uns mit Osterreich--Ungarn und Italien verbinden. Die 
wenigen Striche, die Caprioi dem von Bismarck gebrauchten Bilde 
hinzufügte, genügten nicht, um den wirklichen Hintergrund erkennbar 
zu machen. Erst durch den Artikel der Hamburger Nachrichten 
vom 24. Oktober 1896 kam Licht in das Dunkel. 
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