Am 31. Oktober 1896 wies das Hamburger Organ dann
in einer Antwort auf die Erklärung des Reichsanzeigers die Be—
hauptung scharf zurück, daß das 1800 abgelaufene deutsch-russische
Abkommen mit der Treue gegen den Dreibund nicht verträglich
gewesen sei. Schon der Vertragstert wahre der österreichisch-ungari-
schen Monarchie in bezug auf etwaige neue deutsch-französische
Verwicklungen die Freiheit, sogar bei einem Angriffe Frankreichs
auf Deutschland neutral zu bleiben, und niemandem sei es ein-
gefallen, deshalb Lon einer Duplizität der österreichisch-ungarischen
Stellung im Dreibunde zu sprechen. Der ganze Dreibund in
corpore könnte, wenn Rußland dazu bereit wäre, mit diesem ganz
dasselbe Abkommen treffen, das bis 1890 zwischen Rußland und
Deutschland bestanden habe, er würde deshalb auf seinen Haupt-
zweck, die gemeinsame Abwehr eines russischen Angriffs, nicht
zu verzichten brauchen.
Während in dem ersten Artikel die Berufung auf den polen-
freundlichen Kurs nicht als beweiskräftig anerkannt werden konnte
— dieser setzte erst lange nach dem Verzicht auf den Rückversiche-
rungsvertrag ein —, ist die Ansicht des zweiten Artikels, daß das
deutsch-russische Geheimabkommen mit den Dreibundverträgen wohl
vereinbar sei, in der Literatur allmählich durchgedrungen. In thesi
waren die Hamburger Nachrichten mit ihrer Abwehr des Vorwurfs
der Untreue gegenüber Osterreich-Ungarn sicherlich im Rechte. Die
leitenden Personen in Wien wußten, daß die deutsche Regierung
die Abmachungen, die von 1881—1887 zwischen den drei Kaiser-
mächten bestanden, erneuert hatte, und nahmen hieran im Ver-
trauen auf die Loyalität des Fürsten Bismarck und seine diplo-
matische Meisterschaft selbst keinen Anstoß. Die deutsche Rück-
versicherung bei Rußland bot ja auch Osterreich-Ungarn den Vor-
teil, daß sie als Hemmschuh für einen französischen Angriff gegen
Deutschland und damit zugleich für das Eintreten des casus
foederis im deutsch--österreichisch-ungarischen Bündnisvertrage wirkte.
Dagegen läßt sich nicht bestreiten, daß in praxi für die deutsche
Diplomatie aus den gegensätzlichen Interessen Rußlands und Öster-
reich-Ungarns am Balkan eine schwer zu lösende Verkettung der
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