promiß zustande, nach dem in den gemischtsprachigen Landesteilen
der Gebrauch der fremden Muttersprache für die nächsten zwanzig
Jahre gestattet werden sollte, wenn die Fremdsprachigen 60 0°0 der
Gesamtbevölkerung übersieigen und wenn die Versammlung min-
destens drei Tage vorher der Polizei angezeigt ist. Schon die ge-
quälte Sprache des Beschlusses verriet die Schwere der Geburt. Nicht
nur Zentrum, Polen und Sozialdemobraten kämpften scharf dagegen,
sondern auch Mitglieder der bürgerlichen Linken erklärten den Para-
graphen für ein häßliches Attentat auf die Muttersprache, und die
Gruppe Barth, v. Gerlach, Breitscheid nahm sogar das Kompro-
miß zum Anlaß, um bald darauf aus der Gemeinschaft der libe-
ralen Vereinigung auozuscheiden. Im Plenum wurde der gemil-
derte Sprachenparagraph in zweiter Lesung mit 196 gegen 177 Stim-
men angenommen, bei der Schlußabstimmung über das ganze Ge-
setz war dav Stimmenverhältnis 194:168.
Zu gleicher Zeit wurde in beiden Häusern des preußischen Land-
tags über ein Gesetz zur Stärkung des Deutschtums in West-
preußen und Posen verhandelt, dessen Kernstück der Erwerb von
Grundstücken im Wege der Enteignung war. Im Sommer 1907
hatte Fürst Bülow noch starke Bedenben gegen dieses Gewaltmittel.
Rücksichten auf die Blockpolitik im Reiche kamen dabei nicht in
Betracht, denn an eine konservatio-liberale Paarung konnte damals
noch niemand denken. Die Zweifel lagen teils in der Enteignung
selbst, teils in der Sorge vor einer Niederlage. Daß Zentrum,
Polen und Freisinnige scharfe Gegner sein würden, ließ sich mit
Sicherheit annehmen. Die Mittelparteien würden wohl zustimmen,
zweifelhaft dagegen war die Haltung der über 144 Mandate ver-
verfügenden konservativen Rechten. Von ihr hing nicht nur das Er-
gebnis im Abgeordnetenhause ab, sondern auch die Mehrheitsbildung
in dem überwiegend konservativen Herrenhause. Erst nachdem man
Grund hatte anzunehmen, daß der Abg. v. Heydebrand mit seiner
Fraktion die Regierung unterstützen würde, ging die Vorlage an
das Abgeordnetenhaus. Ernster als in der zweiten Kammer war
der Widerstand in der ersten. Unter den Gegnern der Enteignung be-
fanden sich Kardinal Fürsibischof Kopp, der voraussagte, daß solche
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