Full text: Um den Kaiser.

mit dem Göttlichen. Die altehrwürdige Formel „von Gottes Gna- 
den“, einst in dem „Dei gratia“ Karls des Großen die Anerken- 
nung der jedem irdischen Herrscher ziemenden Bescheidenheit, wurde 
zum Schiboleth für einen transzendenten Monarchismus. 
Dem ins Muostische gesteigerten Glauben an die Herrlichkeit 
des Hohenzollernhauses fehlte das beste Stück der preußisehen Tra- 
dition. Zwar hat Wilhelm ll. sein preußiseches Königtum gelegent- 
lich in Worten und Gebärden stark betont. Er ist einer auserlesenen 
Schar von Brandenburgern wiederholt als ihr Markgraf gekommen. 
Er hat friederizianische Schaustücke wieder aufleben lassen. Er hat 
Erinnerungen an Preußeno Vergangenheit gepflegt zur Ehre seiner 
Gegenwart. Aber von dem Geist harter Ent#agung, einfacher Lebens- 
führung, unscheinbarer Pflichttreue, wie er sich in siärkeren Ge- 
stalten seiner Ahnenreihe verkörpert, ist er niht efülit gewesen. 
Die ganze Monarchenlaufbahn Wiltelms ll. durch'ieht die- 
selbe Sucht, sichtbar voranzustehen und Milteldunkt in der Welt zu 
bilden, die schon in ihren Anfängen seinem Vater große Sorgen 
bereitet hat. Seit kurzem besitzen wir ein wertvo'les Zeugnis von 
des Kaisers Friedrich eigener Hand. In einem B. iefe aus Portofino, 
28. September 1886, bat der damalige Kronprinz F##iedei#h Wil- 
helm den Fürsten Bismarck, zu verhindern, daß P. inz Wilhelm seine 
Ausbildung im Verwaltungodienst mit dem Auswärtigen Amt be- 
ginne. Er wünschte, daß sich der Prinz mit den inneren Verhält- 
nissen seines Landes vertraut mache, ehe er sich mit seinem ohnehin 
zur Ubertreibung neigenden, sehr raschen Urteil nur einigermaßen mit 
Politik befasse. Angesichts der mangelnden Reife sowie der Uner- 
fabrenheit seines ältesten Sohnes, verbunden mit seinem Hang zur 
Überhebung, müsse er es als geradezu gefährlich bezeichnen, ihn jetzt 
schon mit auswärtigen Fragen in Berührung zu bringen. Zum 
Schluß bittet der Vater den Fürsten Bismarck nochmals um seinen 
Beistand in dieser ihn sehr bewegenden Angelegenheit). 
1) Zum ersten Male im Wortlaut abgedruckt im Berliner Tageblatt vom 
2 Dezember 1918, herausgegeben von Ernst Goetz (Leipzig) nach einer vor Jahr- 
zehnten von Moritz Busch erhaltenen Abschrift. Zwei andere sehr scharfe Worte 
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