318 Gerhard Anschütz, Verwaltungsgerichtsbarkeit.
zu sein. In seinem Namen wird daher Recht gesprochen. Schon seit 1749 findet bekanntlich diese
Trennung von Justiz und Verwaltung in Preussen statt. Im Reiche haben die Gerichte ein historisch
begreifliches Übergewicht über die Verwaltung durch die Bestimmung des Gerichtsverfassungs-
gesetzes $ 17 Abs. 1 erlangt, wonach sie über die Zulässigkeit des Rechtsweges entscheiden. So
hat die Verwaltung nicht mehr die Macht, eine Angelegenheit in ihre Kompetenz zu ziehen, wenn
die Gerichte sie für sich in Anspruch genommen haben. Umgekehrt aber ist das Gericht nicht ge-
bunden an die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde, welche ihre eigene Zuständigkeit ausge-
sprochen hat. Das EG. zum Gerichtsverfassungsgesetz $ 4 sieht aber die Möglichkeit vor, dass
der Justiz auch Geschäfte der Justizverwaltung übertragen werden. Somit ist hier Justiz und
Verwaltung schon miteinander vermengt worden. Auch haben die Gerichte, besonders auf dem
Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Verwaltungsgeschäfte zu besorgen.
Umgekehrt sind die ordentlichen Gerichte nicht in allen Fällen zur Rechtsprechung berufen ;
denn nach $ 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes gehören alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und
Strafsschen nur insofern vor die ordentlichen Gerichte, als für sie nicht die Zuständigkeit von
Verwaltungsbehörden oder von Verwaltungsgerichten begründet ist. Auch die Verwaltungsnormen
des Strafgesetzbuchs in dem Abschnitte über die Übertretungen bilden hier ein wichtiges Beispiel.
Sodann ist aber dadurch, dass über Vorfragen die Zivilgerichte auch dann entscheiden
können, wenn es sich um verwaltungstechtliche Dinge handelt, eine weitere Durchbrechung des
Grundsatzes von der Scheidung der Justiz und Verwaltung vorgesehen. Nicht minder ist auch den
Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten die Möglichkeit gegeben, Vorfragen zivilrechtlicher
Art zu entscheiden und somit eine Funktion auszuüben, die der Justiz im engeren Sinne zukommt.
Die positiven und die negativen Kompetenzkonflikte und die zu ihrer Entscheidung bestehenden
besonderen Gerichtshöfe zeigen an einem der wichtigsten Punkte an, dass hier die materielle
Scheidungslinie zwischen Justiz und Verwaltung in keiner Weise geachtet wird. Die Bedürfnisse
des staatlichen Lebens haben daher vielfach zu einer positivrechtlichen Regelung geführt, die der
konstitutionellen Theorie von der Scheidung der Gewalten zu spotten scheint. Immerhin wird man
als das Lebenselement der Verwaltung die Besorgung von Verwaltungsgeschäften und nicht die
rechtsprechende Tätigkeit ansehen müssen, dagegen diese als die angeborene Aufgabe der Justiz
erkennen. Somit sind die grossen Zusammenhänge und Gegensätze zwischen Justiz und Verwaltung
nicht durch scharf abtrennende Linien, sondern im Bilde durch Fäden zu kennzeichnen, die von
dem einen Teil zu dem anderen, von einem Gewebe in das andere herüber- und hinüberschiessen.
Damit sind sie ein Spiegelbild der grossen innerlichen Schwierigkeiten und Verwicklungen, die das
öffentlichrechtliche Leben unserer Zeit darbietet. Die gradlinigen, mit romanischem Formensinn
und durchsichtiger Klarheit geschaffenen Grenzregulierungen erweisen sich je länger je mehr nur
als Wegweiser und keineswegs immer in der Richtung, in der die grossen Namen des Montesquieu
und Rousseau stehen.
b) Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Von
Geh. Justizrat Dr. Gerhard Anschütz,
o. Professor des öffentl. Rechts an der Universität Berlin.
Literatur:
Meyer-Anschütz, Deutsches Staatsrecht 655 ff. — Meyer-Docho w , Deutsches Verwaltungsrecht
4, Aufl. 66 ff.— l,oening, Deutsches Vorwaltungsrecht 771 ff. — Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht 1
161 ff. — Sarweoy, Das öffentl. Recht u. die Verwaltungsrechtspflege (1880). — E. v. Meier, Verwaltungs-
recht in v. Holtzendorf-Kohlers Enzykl, der Rechtswissenschaft (6. Aufl.) 2 729 ff. — Anschütz, Justiz u.