Otto Schwarz, Die öffentlichen rede... — 153
die Regierung also nur zu starken Kursabschlägen ihren erheblichen Anleihebedarf bei Festhaltung
eines 3%,% Typ hätte decken können. Deshalb riet namentlich die Bankwelt die Wahl 3% iger
Anleihen an. Für die Regierung spielte dabei noch der Wunsch, das Ansehen des deutschen Staats-
kredits gegenüber dem Auslande aufrecht zu erhalten, eine erhebliche Rolle. In London hatte
soeben die grosse Goschen’sche Konversion stattgefunden, welche den grössten Teil der englischen
Staatsschuld von 1891 von 3 auf 2%/,% Nominalzins — mit automatischer Weiterverminderung
auf 2%% in 1903 — herabsetzte und zunächst vollen Erfolg gehabt hatte. Auch in Frankreich
plante man eine Konvertierung von 6,, Milliarden für 4, % ige in 3%,% ige Staatsrente (durch-
geführt 1893). Da erschien es der preussischen und Reichsregierung offenbar nicht recht würdig,
Anleihen zu 314% wesentlich unter Pari aufnehmen zu müssen.
Zunächst schien die weitere Entw.ckelung des Anleihemarktes der Politik der Regierung
Recht geben zu wollen. Das Jahr 1891 (das Jahr der Baringkrisis), in welchem 8, Mill. M.
31% iger und die ausserordentlich hohe Summe von 360 Mill. M. zu 3% begeben wurden, hob
bei 97,95% bezw. 83,,,% Emissionskurs zwar den Realzins vorübergehend wieder auf 3,,,%
bezw. 3,3%. Von 1892 an aber stiegen die Emissionskurse sowohl bei den 314%, sowie den
3% igen Reichsanleihen ununterbrochen, wodurch der vom Staate zu zahlende Realzins’ fort-
gesetzt sank. 1895 konnten 34,, Mill. M. 3% An:eihe sogar zu 99,,,%, also fast zu Pari ausgegeben
werden, wodurch der Realzins bis auf 3,95% ermässigt wurde. Damit aber warder Höhepunkt
der günstigen Entwickelung erreicht. Von nun an begann sich langsam aber stetig
die Misere unserer 3%, igen anzubahnen. Von 1895 bis 1901 sanken die Emissionskurse der in
dieser Zeit aufgenommenen 3% igen allmählich von 99,,,% herab bis auf 87,,,%, wodurch der
Realzins wieder von 3, bis auf 3,,,% anstieg.
Die günstige Kursentwickelung der 3%, %igen Titres seit Beginn der 90er Jahre und noch
mehr die Erreichung des Parikurses der 3% igen im Jahre 1895 (Höchstkurs 100,,%) liess den
schon längst gehegten Gedanken einer Ermässigung des Nominalzinses der 4 %igen Titres in
den Vordergrund treten. Der Markt bereitete sich immer mehr darauf vor. Die Höchstkurse der
4% igen sanken von 1894 bis 1897 allmählich von 108,,, auf 104,,,, die Durchschnittskurse von
106,,, auf 103,,,%. Nachdem Preussen 1896 zur Konvertierung seiner 4%, auf 31% ige über-
gegangen war, konnte das Reich nicht mehr zurückbleiben. Durch RG. v. 8. März 1897 wurde
die Konvertierung der umlaufenden 450 Mill. M. 4% igen Reichsanleihe in 3%, % verfügt.
Mit diesem Zeitpunkte hatte man gerade noch den letzten Augenblick der Möglichkeit einer
wirksamen Konversion wahrgenommen, nachdem man vielleicht ein bis zwei Jahre zu lange gezögert
hatte, wenn man überhaupt entschlossen war, sie durchzuführen. Ein bis zwei Jahre später wäre der
Zeitpunkt verpasst gewesen. Die aufsteigende wirtschaftliche Entwickelung und verschiedene
andere Momente führten von nun an bei allen Reichs- u. Staatsanleihen eine rückläufige Kurs-
und steigende Realzinsbewegung herbei. Die konvertierten 31,%igen fielen im Kurse
von 1898 bis 1900 von 103,,,% auf 95,53,%, die nicht konvertierten 31% igen von 103,,, auf
9,90%, die 3% igen von 97,., sogar auf 86,.,%. Für 1901, 1902 und 1903, in denen sich als Nach-
wirkung der Wirtschaftskrise von 1900 auf dem Industrie-Anlagemarkt eine gewisse Stagnation
einstellte, zogen die Kurse wieder etwas an. Die 3%,% igen stiegen bis 102,,% (im Höchstsatz
auf 103,,,) in 1903. Dann aber trat eine fortgesetzt rückläufige Kursbewegung ein, die erst 1908
einen gewissen Abschluss fand bei 92,,, (niedrigster Satz 90,,). Das Jahr 1909 brachte eine Er-
höhung im Durchschnitt auf 95,,,%, während 1910 wieder ein Rückschlag auf 93,,,% stattfand.
Bei den weit empfindlicheren 3% igen Anleihen trat der Rückschlag schon etwas früher ein.
Während der Durchschnittskurs sich 1902 bis auf 92,,,% (Höchstkurs 93,,,) gehoben hatte, ging
derselbe schon 1903 auf 91,,, (Höchstsatz 93,,,%) herab und sank nun fortgesetzt von Jahr zu
Jahr bis auf 83,,, in 1908 (niedrigster Satz 81,,, in 1907), 1909 hob er sich wieder auf durchschnittlich
85,,, (Höchstsatz 87,,0), ging aber 1910 wieder herunter auf 84,,, (Höchstsatz 85,,,, niedrigster 82,,,).
Seitdem erfolgte ein weiterer Abstieg. Stand am 25. März 1912: 81,,,%-
Bei dieser Entwickelung war es dauernd nicht möglich, die zahlreich notwendig werdenden
neuen Anleihen weiter in 3% igem Typ aufzunehmen. Die letzte Aufnahme von 290 Mill. M.