Th. Rehbock, Süddeutsche Schiffahrtspläne. 279
Hieraus erklärt sich die grosse Bedeutung, welche der Schiffahrtsweg des Rheines nicht
nur für die diesem Strom benachbarten Gebiete, sondern für ganz Süddeutschland besitzt. Mit Auf-
merksamkeit werden daher hier alle Bestrebungen verfolgt, die eine Verbesserung der Schiffahrts-
strasse des Rheines bezwecken, weil jede Herabsetzung der Frachtkosten auf dem Rhein die Wett-
bewerbsfähigkeit der süddeutschen Industrie erhöhen muss. Aber auch über die Verbesserung des
schon bestehenden Schiffahrtsweges des Rheines hinaus zielen die Wünsche Süddeutschlands schon
seit langen Jahren darauf hin, auch auf neuzuschaffenden, an die alte Rheinstrasse anschliessenden
Wasserwegen das Rheinschiff immer weiter in das süddeutsche Binnenland hineinzuführen.
Das kann zunächst dadurch geschehen, dass der Rhein selbst aufwärts bis zum Bodensee
und seine grösseren Nebenflüsse, der Main und der Neckar bis Bamberg und Stuttgart in Gross-
schiffahrtsstrassen verwandelt werden, und dass dann weiter an diese ausgebauten natürlichen
Wasserwege Kanäle angeschlossen werden, welche auch die entlegeneren Teile des süddeutschen
Binnenlandes mit dem Rhein in Verbindung setzen.
Was den Rhein selbst anbetrifft, so reichte die Grossschiffahrt bis in die letzte Hälfte des
19. Jahrhunderts im wesentlichen nur bis zur Mündung des Neckar, während einzelne Schleppzüge
allerdings auch schon weiter, zunächst bis Leopoldshafen, dann bis Maxau und endlich bis Strassburg
geführt, und auch auf dem Neckar bescheidene Gütermengen nach Württemberg-hinein verfrachtet
wurden. Bei der Unzuverlässigkeit dieser Wasserstrassen und der Unzulänglichkeit der vorhan-
denen Hafenanlagen blieb indessen der Schiffahrtsverkehr oberhalb Mannheim bis zum Ende des
vorigen Jahrhunderts nur gering, und Mannheim behauptete seine Stelle als Endhafen des Massen-
verkehrs auf dem Rhein. Von ihm konnte der verstorbene badische Ingenieur, Finanzminister
Honsell, mit Recht sagen, dass es im Handel die Rolle eines Seehafens im Binnenland spiele.
Namentlich im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts hat der Rheinverkehr Mannheime
einen gewaltigen Aufschwung genommen, indem der Güterumschlag einschliesslich desjenigen
von Ludwigshafen auf dem linken Rheinufer in den Jahren 1875 bis 1900 von 900 000 auf
7 700 000 Tonnen anstieg, um dann in diesem Jahrhundert — unter Zurechnung des Verkehrs der im
Jahre 1897 eröffneten Rheinauer Hafenanlagen 10 km oberhalb Mannheim — bis zum Jahre 1909
auf nahezu 10 Millionen Tonnen anzuwachsen. In Mannheim ging und geht auch heute noch der
bei weitem grösste Teil des Rheinverkehrs zur Weiterversendung auf die Bahn über, während der
seit der Kanalisierung des Maines in Mainz nach Osten abgelenkte, schnell anwachsende Güterstrom
grösstenteils in Frankfurt den Wasser- mit dem Schienenweg vertauscht.
Die Schiffahrt auf dem Rhein oberhalb der Neckarmündung hat erst in den letzten Jahren
Bedeutung erlangt. In Karlsruhe, Strassburg und Kehl wurden leistungsfähige Häfen erbaut, die
zu dem schnellen Anwachsen des Verkehrs beitrugen. Der 1899 eröffnete Hafen von Karlsruhe
mit seinem tief nach Württemberg hineingreifenden Hinterland erreichte in 13 jährigem Bestehen
einen Jahresumsatz (1912) von etwa 1 300 000 Tonnen, und die heute als Endpunkt der grossen
Rheinschiffahrt zu betrachtenden Häfen Strassburg und Kehl wiesen im Jahre 1912 einen Umschlag
von 1 668 000 Tonnen bezw. von 416 000 Tonnen auf, nachdem die auf der Strecke von Mannheim
bis Strassburg ausgeführte Niederwasserregulierung des Rheines — durch die bezweckt wurde,
dem Fluss auch bei kleinen Wasserständen eine 130—150 m breite und 2 m tiefe Schiffahrtsrinne
zu geben — im wesentlichen abgeschlossen war und ihren günstigen Einfluss zur Geltung bringen
onnte.
In Strassburg tritt die Rheinschiffahrt mit dem Rhein-Marne- und dem Rhein-Rhone-Kanal
und dadurch mit dem weitverzweigten französischen Kanalnetz in Verbindung. Diese Kanäle ver-
mögen bei den bescheidenen Querschnitts- und Schleusenabmesungen die grossen Rheinkähne
zwar nicht aufzunehmen, sie vermitteln aber trotz der Kleinheit der auf ihnen verkehrenden Kähne
einen recht bedeutenden Verkehr von und nach Strassburg, der im Jahre 1912 etwa 700 000 Tonnen
erreicht hat und jedenfalls noch zunehmen wird, wenn die angestrebte Verlängerung der Schleusen
eine Vergrösserung der Tragfähigkeit der Kähne von 180 t auf 300 t ermöglicht haber wird.
Die bevorzugte Stellung eines Endhafens der Rheinschiffahrt, die im letzten Jahrzehnt
von Mannheim-Ludwigshafen auf Strassburg-Kehl übergegangen ist, wird aber auch Strassburg
nieht lange erhalten bleiben, denn schon dringen in schnell steigender Zahl die Schleppzüge bei