24 F. W. R. Ziinmermann, Gerechtigkeit in der Steuerverteilung.
erwachsenden Finanzbedarfs, soweit eine solche nicht aus anderen Quellen erfolgen kann,
dienen sollen.
Es ist daraus zunächst der Grundsatz der Ausreichendheit oder Zuläng-
lichkeit der Steuer abzuleiten, welcher ohne weiteres als in der Natur der Sache be-
gründet erscheint. Die Steuern in ihrer Gesamtheit müssen so zusammengefügt und wiederum in
sich abgemessen sein, dass sie als Ganzes ihren Zweck erfüllen, mithin durch ihren Gesamtertrag
jeweilig dem Finanzbedarf eine genügende Deckung bieten. Es hat dieses nach beiden Richtungen
hin Bedeutung; das Bedürfnis muss voll befriedigt werden; ebensowenig wie der Steuerertrag
hinter dem Finanzbedarf zurückbleiben darf, ist aber ein Überschreiten des letzteren zulässig.
Als zweites finanzpolitisches Prinzip ist die Beweglichkeit der Steuer anzu-
führen. Der durch die Steuern zu deckende Finanzbedarf ist kein in seiner Höhe stetig gleich-
bleibender. Einerseits bildet, wie schon oben bemerkt, das mehr oder weniger starke Anwachsen
desselben, das in engem Zusammenhange mit der Vermehrung und Vertiefung der Aufgaben der
öffentlichen Gemeinwesen steht, gewissermassen ein Kennzeichen der neueren Zeit; anderseits
wird unter dem natürlichen Wechsel der Verhältnisse oder infolge ausserordentlicher Umstände
der Finanzbedarf in den einzelnen Zeiträumen sich verschieden gestalten; er kann einzelne
Jahre höher, einzelne Jahre niedriger werden. Diesen Veränderungen im Bedarf muss das Steuer-
system von vornherein Rechnung tragen, weil ein Eingreifen in die Steuergesetzgebung, wie es
sonst erforderlich sein würde, nur möglichst wenig geschehen darf. Da die einzelnen Steuerarten
eine sehr verschiedene Beweglichkeit zeigen, so ist bei der Bildung des Steuersystems darauf zu
achten, dass in demselben in einem entsprechenden Masse Steuern mit einer grösseren Beweglich-
keit vertreten sind. Beiden Realsteuern ist die Beweglichkeit nurin sehrgeringen Grenzen vorhanden,
während Verbrauchs- und Ertragssteuern wie Einkommens- und Vermögenssteuern, desgleichen
auch Verkehrssteuern sich stets bis zu einem gewissen Grade der jeweiligen allgemeinen und wirt-
schaftlichen Entwicklung anschliessen werden; bei steigender Bevölkerung, günstiger Entfaltung
der Wirtschaftsverhältnisse, wachsendem Reichtum wird sich regelmässig eine Steigerung ihres
Ertrages geltend machen und umgekehrt. Sehr zweckentsprechend und ausgiebig lässt sich das
Prinzip der Beweglichkeit bei der Einkommens- und Vermögenssteuer durchführen, wenn das
Steuergesetz nur einen bestimmten, niedriger gegriffenen Einheitssatz für die Steuer festlegt, dem
jedesmaligen Finanzgesetz aber die Bestimmung darüber zuweisst, wie oft dieser Einheitssatz
in der Finanzperiode zur Hebung gelangen soll.
b) Volkswirtschaftliche Prinzipien.
Die volkswirtschaftlichen Prinzipien kommen zur Erscheinung einmal
inder Wahl der richtigen Steuerquellen und sodann gleicherweise in der Wahl
der Steuerarten.
Die regelmässige Steuerquelle darf nur das Nationaleinkommen bilden,
welches dauernd lediglich so in Anspruch zu nehmen ist, dass das Nationalvermögen und das National-
kapital geschont wird; nur in Ausnahmefällen (Staatsnotstand, Krieg) darf auf letztere vorüber-
gehend zurückgegriffen werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Einzelvermögen sich nicht
stets und vollkommen mit dem Nationalvermögen deckt; deshalb erscheint eine strengere Schonung,
wie sie beim Nationalvermögen angebracht, für das Einzelvermögen oder das Privatkapital nicht
geboten. Es ergibt sich daraus, dass unter Umständen auch das Einzelvermögen als regelmässige
Steuerquelle dienen kann, wobei wiederum eine Unterscheidung nach dem Ursprung (Vermögen
aus eigener Arbeit, Vermögen ohne eigene Leistung) und nach dem Zwecke (Gebrauchsvermögen,
Kapital) zu machen sein wird. In erster Linie wird aber immer das Einzeleinkommen als die
hauptsächlichste regelmässige Steuerquelle hinzustellen sein.
BeiderWahl der SteuerartenistnamentlichdieWirkung auf den Steuer-
zahler zu berücksichtigen. Hier muss die Steuerüberwälzung eine grosse Rolle
spielen, d. i. die im Verkehr sich verwirklichende Übertragung der Steuerlast von dem Steuerzahler
auf einen Dritten, den Steuerträger; sie kann als Fortwälzung oder als Rückwälzung sich äussern.
Die wesentliche und nicht voll zu beseitigende Schwierigkeit liegt in den tatsächlichen Ver-