Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

    
Schachner - Riess, Japans wirtschaftliche und soziale Probleme. 
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wo 45 278 Pässe zur Reise nach Hawai, den Vereinigten Staaten, Kanada und Mexico ausgefertigt 
wurden. Die amerikanısche Einwanderungsstatistik stellte für die Zeit von 1900 bis 1907 cine Ver- 
mehrung der ın den Vereinigten Staaten angesiedelten Japaner von 24 500 auf 80 000 fest. Etwa 
:/, dieser Zahl fand ın dem den japanischen Inseln am nächsten gelegenen Staate Kalifornien als 
Obstzüchter, Packer und Handwerker eine nach ihren Anschauungen schr lohnende Beschäftigung 
gegen einen Entgelt, von dem amerikanische Arbeiter nicht leben können. 
Aber die Reaktion blieb nıcht aus. In den Vereinigten Staaten sowohl wie im westlichen 
Kanada und ın Australien vollzieht sıch die Bildung der Nationalität durch schnelle Aufsaugung 
und Assımilation der Einwanderer. Dafür waren die zu neuem Selbstgefühl gekommenen Japaner, 
die ihrem Vaterlande treu bleiben wollten, nicht zu verwerten. Sie schlossen sich eng aneipander 
an, behielten deshalb viel von ıhrer heimatlichen Lebensweise bei und verlangten doch auf Grund 
der Verträge volle Gleichberechtigung. Ihre Anstelligkeit und Betriebsamkeit erschien den an eine 
hohe Lebenshaltung gewöhnten amerikanischen Arbeitern als die schlimmste Konkurrenz. Überall 
regte sich bei den englisch sprechenden Völkern der neuen Welt das Selbstgefühl der weissen Rasse 
gegen diese Farbigen, dıe sıch nıcht so missachtend behandeln lassen wollten wie die Neger und 
Chinesen. Man benutzte dıe staatliche und munizipale Autonomie, um durch besondere Gesetze alle 
Mongolen, und damit auch die Japaner, vom Besitz und von der Pachtung von Ländereien aus- 
zuschliessen oder ıhre Kinder ın besondere für den mongolischen Nachwuchs eingerichtete Schulen 
zu zwingen. Zur Beschönigung dieses Verfahrens wurde die gelbe Presse nicht müde, auf die Gefahr 
japanischer Überrumpelungen mittels der über den Ozean geworfenen verkappten Soldaten hinzu- 
weisen. Aus der Monroedoktrin leitete man die Berechtigung der Vereinigten Staaten ab, auch 
die Ansiedelung von Japanern ım spanischen Mittel- und Südamerika zu überwachen, weil daraus 
eine Unterstützung des Widerstandes gegen den panamerikanischen Gedanken entstehen könnte. 
Die Proteste der japanıschen Regierung führten nur zu neuen Reibungen in den japanfeindlichen 
Gebieten. Da die Vereinigten Staaten für dıe wichtigsten Exportartikel Japans, besonders für 
Seide und Tee, die weitaus besten Abnehmer sınd, so hatte man auf japanischer Seite das Bedürfnis, 
den Konfliktstoff möglichst zu beseitigen. Durch Versagung von Pässen kam man praktisch den 
amerikanischen Wünschen sehr weit nach, obwohl man prinzipiell den Rechtsanspruch, der sich auf 
den Wortlaut der Verträge stützte, nıcht aufgab. 1908 wurden nur noch 7581 Pässe zur Reise 
nach Hawaı, den Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko ausgegeben. Einen Ersatz suchten 
die Auswanderungsagenturen in der Arbeitsgelegenheit der Salpetörfelder in Chile, der Zucker- 
pflanzungen ın Peru, der Minen und Tabakspflanzungen in Brasilien. Auch die eigenen Kolonien 
bekamen als Aufnahmegebiet der mit ıhrem Lose ın der Heimat unzufriedenen Japaner eine er- 
höhte Bedeutung. Aber dort kann der an bessere Lebensführung gewöhnte Lohnarbeiter aus Alt- 
japan mit Koreanern und Chinesen ın der Billigkeit seiner Arbeitskraft nicht konkurrieren. Nur 
als Vorarbeiter, Handwerker, Krämer, Aufseher, kaufmännischer und technischer Angestellter 
findet er ein besseres Fortkommen. In grösserem Umfange kann es ıhm nur beschafft werden, wenn 
nun auch dıe Kolonien ıindustrialisiert werden, dann aber dem Heiımatlande Konkurrenz machen. 
Die moralische Überlegenheit in den Verhandlungen mit Amerika über die Auswandererfrage hat 
sich die japanısche Regierung auch dadurch verscherzt, dass sie selbst ım eigenen Lande die Ein- 
wanderung chinesischer Kulis zu verhindern gewusst hat. Der Japaner fühlt sich in den Kolonien 
und im Auslande dem Chinesen und Koreaner gleicher Bildungsstufe überlegen und beansprucht 
sozialen Vorrang, während er selber in den Ländern westlicher Kultur als vollkommen gleich- 
berechtigt anerkannt sein wıll. 
So ergeben sich aus den Bemühungen zur Industrialisierung Altjapans, den Bedingungen 
erfolgreicher Konkurrenz mit technisch fortgeschritteneren Ländern, der dadurch beeinflussten 
Arbeiterfrage, dem Zurückbleiben in der Sozialpolitik und der auf diplomatischen Versprechungen 
beruhenden Einschränkung der ‚Auswanderung schwierige Probleme für die Zukunft des Gross- 
staates Japan. 
  
  
Handbuch der Politik. IT. Auflage. Band 11I. 25
	        
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