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Fritz Stier-Somlo, Die deutsche Arbeiterversicherung.
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nicht nur über die ihnen auferlegten Lasten bitter klagen, sondern auch die Schwierigkeiten der
Einziehung der Beträge betonen und auf die Zahl der gestellten Zwangseinziehungsanträge hin-
weisen.
Die R.V.O. hat von der letzteren Möglichkeit abgesehen, dagegen aber auch von einer nur
mittelbaren Beeinflussung der Entscheidung der Berufsgenossenschaften ın gewissen Fällen durch
die versicherten Beisitzer im Versicherungsamt, wie sich das beim Zusammenwirken von Ver-
sicherungsamt und Versicherungsträger ergeben hatte.
Der Weg, auf dem die Erlangung der Rente erreicht wırd, entspricht einigermassen dem
jetzigen Rechtszustande. Den Beginn des Verfahrens bıldet regelmässig dıe Unfallanzeige des
Unternehmers. Hierauf folgt die polizeiliche Unfalluntersuchung, die nıcht auf dıe Versicherungs-
ämter übertragen wurde. Wohl aber kann der Berechtigte dıe Untersuchung beı dem Versicherungs-
amte beantragen. Festzustellen sind: 1. die Veranlassung, Zeit, Ort, Hergang und Art des Unfalles-
2. die getötete oder verletzte Person, 3. die Art der Verletzung, 4. der Verbleib des Verletzten, 5. dıe
Hinterbliebenen des Getöteten und die Angehörigen des Verletzten, die eine Entschädigung gemässder
R.V.O. beanspruchen können, 6. die Höhe von Unterstützungen und Renten, die derVerletzte aus der
Reichsversicherung bezieht. Der von anderer Seite gemachte Vorschlag ıst nicht berücksichtigt
worden, dass die untersuchende Polizeibehörde verpflichtet sein soll, Zeugen, die nicht ın ıhrem
Bereich wohnen, ohne weiteres, d. h. ohne besonderen Antrag des Versichernngsträgers, durch Inan-
spruchnahme der Polizeibehörde ihres Wohnortes vernehmen zu lassen. Heute ist die Polizeibehörde
hierzu in der Regel nicht zu bewegen. An.der Unfalluntersuchung können teilnehmen oder sıch dabeı
vertreten lassen: Der Verletzte oder seine Hinterbliebenen, der Träger der Unfall- und Krankenver-
sicherung, der Betriebsunternehmer, das Versicherungsamt sowie bei Unfällen in Betrieben, die der
Gewerbeaufsicht unterliegen, der staatliche Aufsichtsbeamte ($ 139 b Gew.O.). Diesen ıst vom
Zeitpunkte der Untersuchung rechtzeitig Kenntnis zu geben. Ist die beteiligte Genossenschaft ın
Sektionen geteilt, oder hat sie Vertrauensmänner bestellt, so erhält der Sektionsvorstand oder
der Vertrauensmann Mitteilung von dem Zeitpunkte der Untersuchung. Zu dieser sollen auch die
sonstigen Beteiligten hinzugezogen werden. Die Ortspolizeibehörde stellt den Sachverhalt fest.
Sie kann Ermittelungen jeder Art anstellen. Die Ortspolizeibehörde hat die Untersuchungsverhand-
lungen nach dem Abschluss unverzüglich dem Versicherungsträger zu übersenden. Die Erteilung
des Bescheides ist in Abweichung von dem Vorentwurfe (1909) in allen Fällen in die Hände des Ver-
sicherungsträgers gelegt. Damit will man die erhobenen Bedenken, wie Zersplitterung desVerfahrens,
Erschwerung des Heilverfahrens, Verzögerungen, namentlich auch bei der Gewährung von Vorschüssen
an die Verletzten und ihre Hinterbliebenen beseitigen. Über die Feststellung der Entschädigung
wird von dem Versicherungsträger ein Bescheid erteilt, gegen den binnen einem Monat Einspruch
stattfindet und der eine entsprechende Belehrung enthalten muss. Bei Einspruch wird der Verletzte
ım Falle der vorläufigen und ersten Dauerrente nach Wahl des Versicherungsträgers vor das Fest-
stellungsorgan oder das V.A., im Falle der Veränderung einer Dauerrente vor das V.A. vorgeladen,
erscheint der Verletzte nicht, so wird Endbescheid erteilt; erscheint er, so wird mit ıhm verhandelt.
Es können Ermittelungen angestellt werden. Der Versicherte kann — bei entsprechender Vorschuss-
leistung — Anhörung eines von ihm bezeichneten Arztes verlangen. Bei vorläufiger und erster
Dauerrente kann das V.A. sıch bei Rückgabe der Akten an den Versicherungsträger zur Sache
äussern, bei Veränderung von Dauerrenten muss es nach nicht öffentlicher mündlicher Verhandlung
unter Mitwirkung je eines Vertreters der Arbeitgeber und der Versicherten ein Gutachten über das
nach seiner Ansicht für die Entschliessung des Versicherungsträgers Bedeutsame abgeben, wobei
etwaige abweichende Meinungen der Versicherungsvertreter zu vermerken sind. Erst dann wird vom
Versicherungsträger — nötigenfalls nach weiterer Beweiserhebung — in freier Entschliessung End-
bescheid erteilt. Dieser ist mit der Berufung, die Entscheidung des O.V.A. in gewissem
Umfange mıt dem Rekurs an das R.V.A. (L.V.A.) anfechtbar. Dabei ist aber die Zahl der Fälle, in
denen noch Rekurs gegeben ist, wesentlich eingeschränkt. Denn der Rekurs ist jetzt ausgeschlossen,
wenn essich handelt um 1. Krankenbehandlung oder Hauspflege, 2. Renten für eine Erwerbsunfähig-
keit, die zur Zeit der Entscheidung des Rekursgerichts oder nach rechtskräftiger Feststellung vor-
übergegangen ist, 3. Rententeile, die bei dauernder Erwerbsunfähigkeit für begrenzte und bereits