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Ehrerbietigkeit, ohne heuchlerischen Sinn und übertriebene Ber-
demüthigung.
Ein williger und pünktlicher Gehorsam ist daher gesehen
und ungesehen strenge Pflicht eines jeden Jünglings.
§. 3. Außerdem wird erwartet, daß die Zöglinge dieser mit
königlicher Großmuth ausgestatteten Wohlthätigkeitsanstalt sich als
Glieder einer Famlie betrachten und benehmen, indem hier alle
ohne Rücksicht auf Alter, Abkunft Fähigkeiten, Confession und
andere Verhältnisse gleiche Aufnahme, gleiche Sorgfalt und
gleiche Liebe genießen, sowie sie aber auch gleiche Pflichten und
gleiche Bestimmung haben.
Besonders nachdrücklich muß eingeschärft werden, daß ein
jeder Zögling die religiöse Ueberzeugung seiner Mitzöglinge achte,
und sich nicht etwas beigeben lasse, in dieser Ueberzeugung einen
andern unberufen wankend oder irre zu machen.
Wer dergleichen wahrnimmt, hat die Pflicht, es dem Vor-
gesetzten unverzüglich zur Anzeige zu bringen.
§. 4. Die gefälligen Tugenden, als da sind, Höflichkeit,
Bescheidenheit, Schonung und Nachgiebigkeit, sowie die wechsel-
seitige Aushilfe und Dienstfertigkeit in erlaubten Dingen werden
nachdrücklich empfohlen, dagegen Rohheit und Anmassung, Un-
verträglichkeit und Zanksucht, sowie lieblose Neckerei, kränkende
Spottsucht, Anklägerei und schmutzige Selbstsucht, besonders
aber alle Partheisucht auf das Schärfste verboten.
§. 5. Fühlt sich ein Zögling beleidigt, oder gekränkt, so
darf er sich durchaus nicht selbst Recht verschaffen, oder sich
rächen, sondern er hat Klage bei den Vorzgesetzten zu stellen,
denen es zukömmt, über das befundene Recht oder Unrecht das
Geeignete zu verfügen.
§. 6. Ebenso ist jeder Zögling in seinem Gewissen ver-
pflichtet, sträfliche Excesse und ärgerliche Aeußerungen, welche er
an seinen Mitzöglingen wahrnimmt, den Vorgesetzten unver-
züglich anzuzeigen, nicht aber durch deren Verheimlichung frem-
der Sünden sich theilhaftig zu machen, besonders wenn der
fehlende Mitzögling durch brüderliche Abmahnung nicht zurecht
gewiesen werden kann.
§. 7. Jeder Zögling muß die ihm durch die allergnädigste
Aufnahme in die Anstalt zu Theil gewordene Wohlthat mitl in-
nigstem Danke ehren, und sich des Genusses der Allerhöchsten